Rescue me - Ganz nah am Abgrund
nicht!“ War ich wirklich nicht. Gereizt beschrieb es nicht einmal annähernd. Nein. Ich war sauer. Geladen bis zum Gehtnichtmehr. Nicht auf Ryan, der war eben nur aus Versehen in meine Schusslinie geraten. Meine schlechte Laune bezog sich auf Allan Baker. Seit über einer Woche suchte ich schon nach ihm. Doch Allan war wie vom Erdboden verschluckt. Obwohl ich jeden Stein nach ihm umgedreht hatte, blieb er verschwunden. An jedem bekannten Platz, an dem diese Möchtegern Gangstas rumhingen, hatte ich nach ihm gesucht.
Nichts. Nada! Null.
Sogar bei Carlos, dem Dealer, war ich gewesen. Nicht, um Drogen zu kaufen, sondern nur, um keine Möglichkeit außer Acht zu lassen. Doch auch der hatte ihn nicht gesehen. Angeblich nicht gesehen musste es wohl heißen. Carlos Núnez war dafür bekannt, niemanden zu verpfeifen.
Ich zerbiss einen erneuten Fluch zwischen den Zähnen. „Dieser Scheißkerl Allan. Vergreift der sich an Ryan.“
„Warum regst du dich so auf? Er wurde zusammengeschlagen, na und? Wurde ich in meiner Jugend auch. So was passiert.“ Dad schien kein Mitleid mit Ryan zu haben. „Geht wieder vorbei.“
„Du hast Football gespielt! Du konntest austeilen! Und du hast bestimmt zwanzig Pfund mehr gewogen. Ryan dagegen …“ Ich brach ab. Wieder sah ich ihn in seinem Bett liegen. Wie er ausgesehen hatte. So zart. So zerbrechlich. Heiße Wut schäumte in mir hoch. „Allan hat einen furchtbaren Fehler begangen!“, knirschte ich. „Er wird dafür büßen!“
„Was willst du tun? Losziehen, um mit ihm abzurechnen, oder was? Der Ritter der Dunkelheit bricht auf, den Drachen zu erschlagen und die Jungfrau zu rächen? Woher dieser Sinneswandel? Korrigier mich, wenn ich falsch liege, aber vor drei Wochen war es dir noch so was von egal, was Bobby und Allan mit Ryan taten.“
Als wenn ich es nicht selber wüsste. Als wenn ein Großteil meiner Wut nicht genau daher rührte. Dass es mir eben nicht egal war, ich mich Ryan einfach nicht entziehen konnte, so sehr ich es auch versuchte.
„Du weißt ja nicht einmal, ob es wirklich Allan war“, bohrte Dad weiter.
„Wer sollte es denn sonst gewesen sein?“ blaffte ich. „Er und Bobby sind die einzigen, die es auf ihn abgesehen haben.“ Und wenn es tatsächlich nicht Allan gewesen war, so würde er doch vermutlich etwas über den Überfall wissen. Bei diesem Gesocks wusste doch jeder über jeden Bescheid.
Was für ein Paket hatten die Scheißkerle bloß bei Ryan gesucht? Wo sollte es sein? Und wo zur Hölle sollte ich noch nach Allan suchen?
Sollte ich bei den Bakers zuhause anrufen und Mami nach dem Verbleib ihres Herzblattes fragen? Nachdenklich runzelte ich die Stirn. Vermutlich würde ihr Hausmädchen mich abwimmeln. Ich seufzte frustriert. Wahrscheinlich blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten, bis Allan wieder aus der Versenkung auftauchte. Und solange würde ich eben ein wachsames Auge auf Ryan haben! Aber ich brauchte es ihm ja nicht auf die Nase binden, oder?
Wie ein kurzer Blick auf die Wanduhr verriet, war es schon neun Uhr durch. Vermutlich würde Ryan noch eine Weile schleifen.
Ich setzte mich auf und sah rüber zum Mustang. Der wirkte jetzt wie ein Skelett. Die meisten Teile waren ab- und ausgebaut, die Sitze standen hinten an der Wand, die Innenverkleidungen lehnten daneben. Wenn ich den Wagen so dastehen sah, juckte es mich schon in den Fingern, mitzuhelfen.
An der Viper konnte ich im Moment nichts machen, ohne dass Ryan etwas davon mitbekam. Und das wollte ich auf keinen Fall. Dieser Wagen ging ihn überhaupt nichts an. All die Monate über war es die Arbeit an dem Dodge, die mich hier gehalten hatte. Hier. In dieser Stadt. In diesem Leben.
Dieses Baby war mein Projekt. Nur meins.
So wie der Mustang Ryans war, beschloss ich.
„Mit dem habe ich nichts zu schaffen“, murmelte ich und verschränkte die Hände vor der Brust. „Eher hacke ich mir die Hand ab, als auch nur ein einziges Teil davon anzufassen!“
„Ach ja? Und was ist mit den fehlenden Ersatzteilen?“ Dad war immer noch da. War ja klar! Der ließ sich nicht so einfach vertreiben.
„Was soll damit sein?“, flüsterte ich trotzig. „Ich hab’ ein bisschen mit Victor geredet. Über die alten Zeiten und so. Ist ja wohl nicht verboten, oder?“
„Mit ihm geredet, ihm eine Liste gemailt …“, zählte Dad auf und kicherte leise. „Dann hast du Fotos von den überzähligen Teilen gemacht, sie bei Ebay eingestellt. Ganz schön viel Aufwand für einen Wagen, mit
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