Rettende Engel (German Edition)
mit sanfter Stimme. „Ärgert dich der Bursche, der deinen Stall als Versteck benutzt? Chris holt ihn jetzt und dann hast du wieder deine Ruhe.” Das Pferd schnaubte kurz, wie um sein Einverständnis zu geben und trat nur noch langsam von einem Fuß auf den anderen.
„Wie ich schon sagte”, Kaha schaute Chris an, „holt Chris jetzt Mirko aus der Box, ganz ruhig, ohne hastige Bewegungen. Außer Mirko kommt freiwillig und erspart sich eine Anzeige wegen …”
Zu Chris’ großer Erleichterung schob Mirko sich an der Stallwand hoch, so dass er nicht mehr kauerte, sondern stand, und sagte: „Schon gut, schon gut.”
„Du bist ja der reinste Pferdeflüsterer, Karlheinz”, sagte Chris, als die drei es sich wenig später auf der Tribüne der Rennbahn bequem gemacht hatten. Mirko saß auf einer Bank auf der einen Seite der Treppe, Kaha und Chris ihm auf je einem Bankende auf der anderen Seite gegenüber.
„Betäubungspfeil?”, entgegnete Kaha – und zog die Augenbrauen hoch.
Chris verstand: Würde er Kaha noch mal als Pferdeflüsterer bezeichnen, dann würde dieser den Kollegen von seiner Schnapsidee mit den Betäubungspfeilen für ein Pferd erzählen.
Nach der aufregenden Viertelstunde, die sie soeben durchlebt hatten, erwies sich das Gespräch mit Mirko als Enttäuschung.
„Ich dachte, Mike hätte euch geschickt”, sagte er, auf den Grund für seinen Fluchtversuch angesprochen.
„Mike?”, fragte Chris.
„Der Buchmacher. Ich dachte, er hätte rausgefunden, dass wir ihn reingelegt haben. Obwohl’s ja streng genommen legal war. Zu den Bullen, also zu euch, zu Ihnen konnte er schlecht gehen.”
„Und kannst du dir vorstellen, dass dieser Mike – Wie ist denn sein richtiger Name? – dass also dieser Typ Rena etwas antun wollte?”, hakte Kaha nach.
„Michael … Roth, glaube ich. Nee, kann ich mir nicht vorstellen. Verprügeln vielleicht, aber umbringen? Das wär doch’n bisschen heavy. Außerdem kannte er Rena gar nicht.”
Was sein eigenes Alibi anging, erzählte er dasselbe wie Achim, der Wirt. Er war in der Kneipe geblieben, nachdem Rena sich verabschiedet hatte. Natürlich hatte er sie nicht getötet. Sie war doch eine coole Frau. Nur dass sie Kinder hatte, fand er nervig.
„Wir hatten eine super Zeit, wir beiden. Haben die letzten Tage praktisch rund um die Uhr miteinander verbracht. Aber dann tauchte diese Tante vom Sozialamt gerade dann auf, als Rena weg musste, um die Wetten zu platzieren. Zum Glück konnte sie durchs Fenster abhauen. Ich wohne im Erdgeschoss.” Mirko grinste. „Und ich hab der Frau gesagt: ‚Rena? Kenn ich nicht.’“ Er hing einen Moment seinen Gedanken nach und sagte schließlich: „Sie hätte sie einfach weggeben sollen. Der ganze Aufwand für das bisschen Kindergeld.”
Chris zuckte unwillkürlich zusammen.
„Fühlte Rena sich von irgendjemandem bedroht?”, fragte Kaha schnell, dem nicht entgangen war, dass Chris so aussah, als wolle er Mirko eine runterhauen. „Hat sie irgendetwas in dieser Richtung erwähnt?”
Mirko schüttelte den Kopf. Dann schrieb er die Namen seiner Freunde auf, die bezeugen konnten, dass er noch mindestens eine Stunde bei Achim weitergefeiert hatte, nachdem Rena gegangen war.
Plötzlich blickte er auf: „Habt ihr, also, haben Sie Geld bei Rena gefunden? Ihren Anteil? Das gehört ja eigentlich mir.”
„Von welcher Summe sprechen wir denn?”, fragte Kaha vorsichtig.
„3000 Euro.” Mirko konnte die Antwort auf seine Frage in den überraschten Mienen von Chris und Kaha lesen. „Alles weg?”, stöhnte er. „Oh, Mann. Das schöne Geld.”
12
Sie waren sich einig, dass Mirko kein netter Mensch war. Oder mit den Worten von Chris „ein Arsch”. „Aber ich sehe ihn nicht als Mörder”, sagte Chris widerwillig.
„Ich sehe überhaupt noch niemanden als Mörder. Wir wissen einfach zu wenig”, antwortete Kaha. „Lass uns zum Jugendamt fahren. Vielleicht hat die Tochter, Miriam, etwas gesehen. Immerhin stand sie am Fenster, als wir dort waren. Oder vielleicht kann uns diese Sozialarbeiterin, Sandra, oder jemand anderes dort zumindest mehr über die Familie erzählen.”
Als sie das Jugendamt erreichten, meinte Chris: „Ziemlich viel los hier für einen normalen Montagnachmittag.” Tatsächlich sahen sie schon von Weitem einen Menschenauflauf vor dem Eingang der Behörde. „Als ob es etwas umsonst gibt.”
Sie mussten sich regelrecht durch die Menge hindurchzwängen.
Plötzlich fragte eine junge,
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