Rettende Engel (German Edition)
Hand. Doch dann siegte die Neugier. Sie nahm das Geschenk, das Kaha ihr überreichte, und packte es mit schnellen Bewegungen aus.
Um sie nicht zu bedrängen, beschäftigte Kaha sich mit Tim. Dem gefielen die Bilder von Polizei- und Feuerwehrautos in seinem Buch, und nachdem Kaha es ihm vorgemacht hatte, rief er begeistert: „Tatütata, tatütata.”
Miriam drehte währenddessen ihr Buch in den Händen, schlug es auf, legte es dann wieder unschlüssig zur Seite. Man konnte geradezu sehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete: Sollte sie zu den vertrauten Zeichnungen zurückkehren oder sich dem bunten, aber unbekannten Buch widmen?
Sandra nahm ihr die Entscheidung ab. Sie schob die Zeichnungen beiseite, ergriff das Buch und reichte Miriam gleichzeitig die Hand.
„Kaha, warum liest du den beiden nicht vor?”, fragte sie versöhnlich und mit einem kleinen Lächeln.
Sie führte Miriam zu einem bunten Sofa in einer Ecke neben dem Fenster. Kaha und Tim gesellten sich dazu und wenig später lauschten die Geschwister gebannt der Geschichte von Lotta und ihren Abenteuern.
Schließlich klappte Kaha das Buch zu. „Na, wie hat es dir gefallen, Miriam?”, fragte er. Das Mädchen wirkte zwar entspannter, fast freundlich, gab jedoch keine Antwort. Es rutschte vom Sofa, lief zum Tisch und beugte den Kopf über die Zeichnungen. Tim dagegen zupfte an Kahas Ärmel und verlangte laut: „Noch mal, noch mal.”
Kaha wuschelte durch Tims Haar, grinste und sagte: „Wenn ich wiederkomme. Jetzt muss ich noch etwas erledigen.” Er nahm Sandra beiseite und fragte: „Wie sieht’s aus? Hast du auch so einen Hunger?” Ehe sie antworten konnte, fuhr er schnell fort: „Ich würde dich einladen. Ich kenne da einen guten Italiener ganz in der Nähe.”
„Oh, das ist jetzt aber blöd”, stammelte Sandra. „Im Prinzip gerne. Aber ich bin schon verabredet. Also zum Kino, mit Nico. Kennst du vielleicht? Er ist auch Polizist.”
„Klar. Ein andermal vielleicht?“, fragte Kaha schnell und versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
„Das wäre schön.” Sandra lächelte. Aber dann schien ihr etwas einzufallen. „Du kannst ruhig schon gehen, wenn du willst. Ich bleibe noch kurz, um mit Susanne etwas zu besprechen.”
Zu Hause angekommen, holte Kaha sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Unschlüssig stand er in der Tür zum Wohnzimmer. Seine Lederjacke und seine Schuhe hatte er noch an. Er setzte die Flasche an, trank und genoss den kühlen, bitteren Geschmack.
Sein Blick fiel auf den Brief, den er am Vortag erhalten und auf den Schreibtisch gelegt hatte. Er nahm ihn auf und begann zu lesen, während er im Zimmer auf und ab ging und hin und wieder einen Schluck Bier aus der Flasche trank.
Schließlich steckte er den Brief ein, stellte die leere Flasche achtlos auf den Fußboden und machte sich wieder auf den Weg.
22
Nachdenklich klopfte Kaha mit dem zusammengefalteten Brief auf das Lenkrad seines alten BMWs. Er hatte gegenüber der JVA in Herzogenried geparkt und sah unentschlossen hinüber zu dem denkmalgeschützten Torgebäude, dessen Sandstein im Licht der untergehenden Sonne noch roter wirkte als sonst.
Er gab sich einen Ruck. Nachdem er schon einmal da war, konnte er auch hineingehen. Er stieg aus seinem Wagen aus, stopfte den Brief in die Jackentasche und klickte die Tür zu.
Das Zimmer, das man ihm für sein Gespräch mit Cem zugeteilt hatte, wirkte im Gegensatz zum über 100 Jahre alten Äußeren der Strafanstalt modern und, soweit das möglich war, freundlich. Es war hell, aber nicht grell beleuchtet, der Fußboden orange und der Tisch und die Stühle hätten auch in den Seminarraum einer Uni gepasst.
Cem sagte nichts, als er den Raum betrat, und sah Kaha nur an. Seine Miene wechselte zwischen unsicher und herausfordernd. Er setzte sich Kaha gegenüber an den Tisch, so dass er die Tür im Rücken hatte.
Cem rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Schließlich versuchte er sich an einem Lächeln. „Danke, dass du gekommen bist”, unterbrach er das Schweigen.
„Obwohl ich echt nicht weiß, warum.” Kaha zog den Brief hervor. „Ziemlich frech. Du fühlst dich von mir ‚reingelegt’ und ‚im Stich gelassen’? Das ist der Hammer. Wo du mich getäuscht und manipuliert hast.”
„Wieso getäuscht? Habe ich jemals gelogen? Nein, habe ich nicht, Mann. Und den Mord habe ich auch nicht begangen. Steht doch auch da drin.” Er zeigte auf den Brief.
„Und wieso gibt es dann einen Zeugen, der
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