Rettende Engel (German Edition)
dich belastet?”
Ein Rentner, der seinen Hund ausführte, hatte gesehen, wie Cem sich über den Penner beugte und seine Jacke durchwühlte. Er dachte, der Junge sei weggelaufen, ehe er etwas stehlen konnte – außer einer Flasche Schnaps. Der Mann hatte nicht die Polizei gerufen, weil er dachte, es sei nichts passiert, und weil er Cem eigentlich mochte. Als er dann von dem Mord erfuhr, hatte er sich sofort gemeldet und eine Aussage gemacht.
„Wie ein Idiot habe ich ausgesehen, als die Kollegen dich bei mir verhaftet haben. Um ein Haar wäre ich aus dem Polizeidienst geflogen. Aber Chris hat mich ja gewarnt. Ich hätte dich nie bei mir aufnehmen dürfen. Deine Mutter wusste wahrscheinlich genau, warum sie dich rausgeschmissen hat.” Kahas Stimme wurde zunehmend lauter.
„Bullshit”, brüllte nun auch Cem. „Und ich dachte, du wärst anders als die anderen Bullen.”
Ein Beamter schaute zur Tür herein, doch Kaha winkte ab.
„Ist auch nur so ein mieser Trick mit euren Kampfsportkursen”, murmelte Cem. Plötzlich wirkte er wie ein kleiner, einsamer Junge.
Kaha atmete tief ein und aus. War er zu hart? Waren seine Vorwürfe unfair? Dass er Cem ein Dach über dem Kopf angeboten hatte, war ja ein paar Tage vor der Ermordung des Penners gewesen. Als er noch dachte, der Junge aus seinem Tae-Kwon-Do-Kurs wäre ein wenig schwierig, ein Teenager eben, der seine alleinerziehende Mutter auf die Palme brachte, aber im Grunde kein schlechter Kerl.
„Also gut”, sagte Kaha. „Was hat es mit dem Alibi auf sich, von dem du hier schreibst?”
„Du glaubst mir ja sowieso nicht”, murrte Cem.
„Bin ich hier oder bin ich hier?”, fragte Kaha. „Also los.”
„Der Mord soll doch so um elf Uhr gewesen sein, oder?”
Kaha nickte. „23 Uhr 15.”
„Eben. Da war ich ganz woanders, Mann. In Feudenheim.”
Kaha zog seinen Block und einen Kugelschreiber hervor und begann, sich Notizen zu machen. „Das ist in der Tat ziemlich weit von der Hafengegend entfernt. Zeugen?”
„Ja. Nein. Weiß ich nicht.”
„Was denn nun? Fangen wir anders an: Was hast du dort überhaupt gemacht?”
„Na ja, ich hatte schon ein bisschen was getrunken.”
„Und?”
„Eigentlich schon eine ganze Menge.”
„Das habe ich am nächsten Tag gerochen”, erinnerte sich Kaha. Eine Tatsache, die Cem eher be- als entlastete. Er sah den Jungen kühl an.
„Deshalb bin ich auf diese total bescheuerte Idee gekommen.”
Kaha sah betont auf seine Uhr. „Spuck’s schon aus. Ich habe nicht ewig Zeit.”
„Kennst du Lilly? Aus der Gruppe, die vor uns trainiert? Selbstverteidigung, oder so?”
Kaha nickte.
Cem schaute verlegen auf seine Hände und sprach so leise, dass Kaha ihn kaum verstand. „Wir haben ein paar Mal geredet. Die ist total nett, gar nicht eingebildet.” Pause. „Mann. Muss ich deutlicher werden?”, fragte Cem verzweifelt.
Bei Kaha fiel der Groschen. „Du bist in sie verliebt.”
Cem nickte. „Jedenfalls hatte ich die blöde Idee, sie zu besuchen. Und ihr Blumen zu bringen. Ich weiß auch nicht. Sie wohnt in Feudenheim und ich habe an einer Tankstelle Blumen gekauft. Rosen. Aber keine roten.” Cem stand der Schweiß auf der Stirn.
Kaha nickte. „Klar, das wäre zu plump. Lilly kann also bezeugen, dass sie mit dir gesprochen hat?” Wieso hatte Cem das nicht früher gesagt?
„Nein. Nicht direkt”, stöhnte Cem. „Ich habe da eine Zeit lang rumgehangen. Vor dem Haus. Aber ich habe nicht geklingelt. War ja schon spät. Erst wollte ich die Blumen vor die Tür legen. Aber dann denkt sie nachher, ich bin ein Stalker oder so.” Cem starrte auf den Tisch und schwieg.
„Und was weiter? Ein bisschen mehr brauche ich schon”, sagte Kaha genervt. Falls das alles überhaupt stimmte. Aber wer dachte sich schon so eine merkwürdige Geschichte aus?
„Ich habe die Rosen bei den Nachbarn übern Zaun geworfen und bin nach Hause gefahren. Also zu dir.”
„Mit dem Rad?”
Cem nickte. Dann sagte er: „Ich dachte mir, vielleicht kann die Frau von der Tankstelle, wo ich die Blumen gekauft habe, also, vielleicht kann die sich an mich erinnern.” Mutlos schüttelte er den Kopf. „Ist ja doch alles zwecklos.”
Hatte der Junge etwa Tränen in den Augen? Schnell schaute Kaha auf seinen Block und schlug eine neue Seite auf. „Das zu entscheiden, überlass mal mir. Jetzt erzähl mir noch einmal ganz genau, welche Straßen du hin und zurück entlanggefahren bist, wo die Tankstelle ist und wo diese Lilly wohnt.”
Beim
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