Rettet unser Geld
war also extrem attraktiv, den deutschen Markt mit preisgünstigen Produkten zu beliefern, wodurch insgesamt gesehen der deutsche Normalverbraucher zum größten Profiteur der D-Mark wurde - wie er, umgekehrt, nach deren Abschaffung schon mittelfristig als europaweit größter Verlierer dasteht.
Als ich später bei der IBM internationale Führungspositionen übernahm, entdeckte ich, dass die Stärke der deutschen Währung auch eine Kehrseite aufwies. Während die Deutschen immer billiger importieren konnten und für ihre Urlaubsreisen immer weniger Geld ausgeben mussten, wurden die deutschen Produkte im Ausland immer teurer. Mit jeder Aufwertung der Mark war es schwieriger, die eigenen Waren jenseits der Grenzen abzusetzen. Als Chef der IBM Deutschland hatte ich schwer mit der Aufwertung der Mark sowie den hohen Lohnkosten zu kämpfen. Die in unserem Berliner Werk produzierten Schreibmaschinen etwa waren zu teuer geworden und deshalb im Ausland nicht mehr zu verkaufen, weshalb ich das Werk schließen musste. Das gleiche galt für die Speicherchips aus Sindelfingen oder die Speicher-Aggregate aus Mainz. Sie waren alle wegen des hohen D-Mark-Kurses zu teuer geworden, und unsere drei Werke mussten geschlossen werden. Hatte die IBM 1985 noch 6 000 deutsche Mitarbeiter in der Produktion, so hat sie heute keine mehr.
Weil die deutschen Waren immer teurer wurden und man die Produktion noch nicht so leicht ins kostengünstigere Ausland verlagern konnte - der Osten lag hinter der Mauer, der Ferne Osten war wirklich noch sehr fern -, entstand in der
deutschen Industrie ein vorher nie gekannter Innovationsdruck: Da unsere Produkte für ausländische Kunden immer teurer wurden, musste das durch höhere Qualität und technischen Fortschritt ausgeglichen werden. Zusätzlich ließen sich die Exportpreise dadurch senken, dass man Kosten einsparte, also mit weniger Mitarbeitern mehr produzierte. Was heute von vielen Politikern als gesellschaftpolitischer Skandal angeprangert wird, ist doch nur unmittelbare Konsequenz des Preisdrucks, der auf dem internationalen Markt herrscht.
Jahrzehntelang galt die deutsche Wirtschaft als eine der produktivsten und effizientesten der Welt. Unser Marktanteil in der späteren Euro-Zone war damals höher als heute! Kaum einer weiß noch, dass diese erstaunliche Leistungsfähigkeit durch den enormen Druck bewirkt wurde, der wegen der ständigen Aufwertung der D-Mark auf unserer Industrie lastete. Diesen Währungsnachteil wusste sie durch Einfallsreichtum und einen Qualitätsstandard auszugleichen, um den uns die Welt beneidete. Die D-Mark stand also nicht nur für den Erfolg unserer Wirtschaft, sie löste ihn ursächlich mit aus.
Doch schafft der Erfolg des einen bei den anderen Unbehagen. Auf dem Gipfel von Den Haag 1969 plädierten der französische Präsident Georges Pompidou und Bundeskanzler Willy Brandt für eine europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Im Jahr darauf ließ der damalige französische Finanzminister Valéry Giscard d’Estaing als Vorsitzender einer entsprechenden Arbeitsgruppe keinen Zweifel daran, dass seiner Meinung nach am Schluss der Entwicklung eine gemeinsame europäische Währung stehen solle. Der Weg zur Abschaffung der Mark war damit eingeschlagen, und Jahre später konnte Giscard d’Estaing, nun selbst Staatspräsident, zusammen mit Helmut Schmidt die nächsten Schritte beschließen. Was allerdings langfristig damit ausgelöst wurde, dürfte keinem der dafür verantwortlichen
deutschen Politiker klar gewesen sein. Mir auch nicht.
Dagegen mussten jene europäischen Politiker, die sich für die Abschaffung der D-Mark einsetzten, durchaus geahnt haben, dass man damit den Deutschen ihre ungeliebte Wirtschaftsdominanz und zugleich ihr geliebtes Markenzeichen wegnahm - wobei in der Wirtschaft seit langem bekannt ist, dass der bedeutendste Wert, den ein Unternehmen aufzuweisen hat, nicht in seinen Produktionsanlagen, sondern seinem Markenzeichen besteht. Fabriken lassen sich ersetzen, Markenzeichen nicht.
Kurioserweise konnten die Deutschen nicht von ihrer D-Mark lassen - nach Aussagen der Bundesbank waren Ende 2009 immer noch 13,6 Milliarden »im Umlauf«. Laut einer Emnid-Umfrage vom Mai 2010 sehnt sich eine Mehrheit nach ihrer alten Währung. »Über 60 Prozent der Deutschen«, sagte Klaus-Peter Schöppner der Bild -Zeitung, »wollen als Ergebnis der Finanzkrise die D-Mark wieder zurück«. Entsprechend nimmt die Zustimmung zum Euro ab. Bei einer Befragung durch
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