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Rettet unser Geld

Rettet unser Geld

Titel: Rettet unser Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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hat wirklich stattgefunden: Unsere Nachbarn haben uns dafür bezahlen lassen, dass wir das bekamen, was eigentlich jedem Volk gratis zustehen sollte, die freiheitliche Selbstbestimmung. Und sie haben sich geweigert, dem hohen Preis, den wir
zu entrichten hatten, ein politisches Rahmenwerk mitzugeben, das vor Entwertung und sonstigem Schindluder schützt.
    Im August 2010 hielt der angesehene Historiker Heinrich August Winkler, ehemals Professor für Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität Berlin und nach wie vor SPD-Mitglied, anlässlich der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Belgien einen Vortrag zu diesem Thema. »Die Vorgeschichte der derzeitigen europäischen Krise, der politischen wie der monetären«, sagte Winkler, »reicht bis ins Epochenjahr 1989/90 zurück. Der Fall der Berliner Mauer brachte überraschend die deutsche Frage wieder auf die Tagesordnung der Weltpolitik. Für den wichtigsten europäischen Partner der Bundesrepublik, Frankreich, war das Ja zur deutschen Einheit alles andere als selbstverständlich. Der französische Staatspräsident François Mitterrand sah die Gefahr, dass sich die Europäische Gemeinschaft nach einer Wiedervereinigung Deutschlands in eine DM-Zone verwandeln würde, was eine deutsche Hegemonie über den Kontinent bedeutet hätte. Wenn die Deutsche Mark dagegen in einer europäischen Währungseinheit aufging, ließ sich nach Mitterrands Überzeugung diese Gefahr bannen. Deshalb kam alles auf die rasche Bildung einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion an.«
    Noch kurz vor der Maueröffnung 1989, so erinnere ich mich, hatte Präsident Mitterrand das angeschlagene Honecker-Regime durch einen Staatsbesuch gestärkt und dabei ausgedrückt, dass er gegen die deutsche Einheit nichts einzuwenden habe, vorausgesetzt, sie vollziehe sich im Rahmen einer europäischen Neuordnung. Das konnte alles oder nichts bedeuten. Mir kam es vor, als liebte er Deutschland so sehr, dass ihm zwei davon allemal lieber waren als nur eines. Heute sage ich, dass ich den Euro so sehr liebe, dass ich mir zwei unterschiedliche Euros wünsche. Vermutlich hatte sich Mitterrand damals zu alldem
auch noch ein falsches Bild der untergangsgeweihten DDR vorgaukeln lassen, die sich Besuchern gern als ein neu gestrichenes Potemkinsches Dorf präsentierte.
    Sollte Mitterrand tatsächlich gesagt haben, dass sich durch die Wiedervereinigung eine deutsche Hegemonie ergeben könnte, würde sich die Einführung des Euro einer krassen Fehlprognose des Franzosen verdanken: Die Wiedervereinigung führte mitnichten zu einer deutschen Vormachtstellung in Europa, sondern im Gegenteil bedeutete die Übernahme des bankrotten DDR-Staates und seiner schrottreifen Wirtschaft zunächst eine Schwächung und große finanzielle Belastung unseres Landes. Das Schreckbild einer »deutschen Hegemonie« sollte nicht Wirklichkeit werden, und ich füge hinzu, dass selbst dann, wenn alles in der DDR in der guten Ordnung gewesen wäre, die uns vorgespiegelt wurde, keine deutsche Regierung, gleich welcher Couleur, eine solche Stellung jemals angestrebt hätte. Unseren französischen Freunden dagegen, zumal in Gestalt von Präsident Sarkozy, scheint diese Vorstellung, was ihren eigenen Einfluss in Europa betrifft, nicht allzu fremd zu sein.
    Man bestand also auf der Einführung des Euro und der Abschaffung der D-Mark, um eine befürchtete deutsche Dominanz abzuwenden. »Die Bonner Position«, so fuhr Heinrich August Winkler in seiner Rede fort, »war bis dahin eine andere gewesen: Die europäische Währung sollte kommen, aber nur im Rahmen einer umfassenden supranationalen Einigung - einer politischen Union, die diesen Namen verdiente. Dieses Junktim konnte Bundeskanzler Helmut Kohl bei den Verhandlungen der EG im Frühjahr 1990 auch deshalb nicht durchhalten, weil die britische Premierministerin Margaret Thatcher einer politischen Union im Sinne der deutschen Vorstellungen noch weniger abgewinnen konnte als Mitterrand.«

    Kohl sah sich also zwei Kontrahenten - gewöhnlich Freunde genannt - gegenüber, die sich teils der deutschen Vereinigung, teils der europäischen Vereinigung entgegenstellten, und dies aus rein machtpolitischem, nationalegoistischem Kalkül. Immerhin führte diese Konfrontation dazu, dass Kohl auf ganzer Linie nachgab und die D-Mark als das einsetzte, wozu sie geschaffen worden war: zum Zahlen. »Auf einem Sondergipfel Ende April 1990 in Dublin«, so Winkler weiter, »wurden die Währungsunion und die

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