Rettung der Highlanderin (Herkunft der MacLeod) (German Edition)
selbst und mithin einundzwanzig, war der Tapferste von allen. Broc ergötzte sich zwar daran, sie in Wut zu versetzen, doch Ailig war der Einzige, der sich je in ihre Nähe wagte, wenn sie schon wütend war.
»Und?«, fragte er.
»Was? Ach so, ob ich den nächsten Stein nach dir werfe?« Sie schüttelte den Kopf und wandte sich wieder dem Loch zu. »Fürs Erste bist du in Sicherheit. Aber ich habe genügend Steine zur Hand, sollte ich es mir anders überlegen.«
»Ich habe die Warnung verstanden. Hier, ich dachte, den könntest du gebrauchen.« Er legte ihr einen Umhang über die Schultern.
Ailigs ruhige Stimme stand zu Brocs herablassendem Ton in einem ebensolchen scharfen Gegensatz wie der Himmel zum Berggipfel. Sie wollte sich in seine Arme werfen und sich von ihm trösten lassen, wie er es immer getan hatte, als sie Kinder waren, indem er ihr Geschichten über seine Besuche in Edinburgh erzählte, um sie von der Drangsal durch ihre älteren Brüder abzulenken. Aber sie hatte schon vor langer Zeit geschworen, vor keinem von ihnen mehr Schwäche zu zeigen, nicht einmal vor Ailig. Sie zog den Umhang fest um sich und richtete den Blick wieder auf den Loch.
»Der Schnee reicht heute Morgen schon weiter den Berg sherunter«, sagte Ailig. »Nicht mehr lang, dann füllt er das Tal.«
»Darum kommen sie jetzt mit diesem Plan daher, nicht wahr? Der Winter steht vor der Tür, ist aber noch nicht ganz da.«
Ailig nickte. »Zweifellos.« Er legte ihr einen Arm um die Schultern und zog sie an sich. »Ich hätte dir diese Neuigkeit nicht vorenthalten, wäre ich in die Sache eingeweiht gewesen.«
Catriona zuckte nur die Schultern. Sprechen konnte sie nicht, sonst wäre jene Weichheit zum Vorschein gekommen, die sie tief in sich versteckt hielt, wo sie vor Verletzungen sicher war. Brocs Gepolter und Sticheleien gefährdeten ihre Selbstbeherrschung nie so, wie es Ailigs Fürsorglichkeit tat. Sie hatte seit ihrem zwölften Lebensjahr nicht mehr geweint, doch Ailigs schlichte Geste ließ Tränen in ihr aufsteigen, die ihr den Hals verschlossen. Aber vergießen würde sie diese Tränen nicht. Sie legte den Kopf auf seine Schulter und genoss den Trost, um den sie nicht gebeten hätte.
»Was wirst du tun?«, fragte er nach einer Weile.
Zorn überwältigte sie von Neuem. Sie holte tief Luft und löste sich mit einem Schritt aus Ailigs Umarmung, sog die kalte Luft in ihre Brust und hüllte sich wieder ein in ihre Wut wie in einen dicken Umhang.
»Ich werde Hundsgesicht MacDonell nicht heiraten. Das würde weder mir noch dem Clan einen Nutzen bringen. Nur Broc hätte etwas davon, er wäre die Distel in seinem Schuh los, und die MacDonells, die damit den Vorteil unserer Stärke und unseres Rufes gewännen.«
»Aye, das sehe ich genauso.«
»Warum lässt Vater das dann zu?«
Ailig zuckte mit den Schultern und warf ein paar Steine ins Wasser. Schließlich wandte er sich zu ihr um. »Ich glaube, Vater ist Brocs Klagen und eurer ständigen Streitereien müde. Du hast es abgelehnt, dir selbst einen Ehemann zu suchen …«
»Es gab keine …«
»Ich weiß, aber du hast ihm kaum eine andere Wahl gelassen. Er muss dich mit irgendjemandem verheiraten, den er dazu bewegen kann, dich zu nehmen, ehe diese Aufgabe im Sommer in Brocs Verantwortung fällt.«
Catriona zuckte zusammen. »Dann soll ich also dafür bestraft werden, dass ich meine Meinung kundtue. Glaubst du wirklich, dass mir ein solches Los beschieden sein sollte?«
»Nay, und ich habe immer wieder auf Vater und den Rest der Familie eingeredet, aber du weißt ja, auf mich hören sie ebenso wenig wie auf dich.«
Sie kehrte ihm den Rücken zu, weil er nicht sehen sollte, wie sehr sie die Wahrheit in seinen Worten schmerzte. Es stimmte: Für ihren Vater und die anderen Brüder waren sie beide praktisch unsichtbar. Das hieß,
sie
war nicht ganz unsichtbar, aber nur weil sie jedermann aufrührte und für Unruhe sorgte, indem sie Wahrheiten aussprach, die niemand hören wollte. Ailig jedoch
war
unsichtbar. Er war still, nachdenklich und neigte nicht zum Zank mit den anderen vier. Es war beklagenswert, weder gesehen noch auf andere Weise wahrgenommen zu werden; das machte einen Menschen bitter und wütend, doch Ailig schien damit besser fertigzuwerden als sie.
Als sie ihre Stimme wieder unter Kontrolle hatte, drehte sie sich zu ihm um. »Was hast du ihnen denn geraten, auch wenn sie es nicht beherzigt haben?«
Sie sah ihm an, dass er seine Worte mit Bedacht wählte.
Weitere Kostenlose Bücher