Rettungskreuzer Ikarus Band 019 - Die Knotenwelt
bekommen, desto eher können
wir uns Alternativen einfallen lassen.«
»Du glaubst nicht, dass wir etwas erfahren werden, Taisho?«
»Wenn sie tatsächlich nichts mit der Organisation zu tun haben will,
dann fürchte ich, dass wir auch nichts für uns Relevantes erfahren
werden.«
»Aber wir versuchen es trotzdem?«
»Aber wir versuchen es trotzdem!«
Die beiden stiegen aus und entdeckten ein Laufband. Sie stellten sich darauf
und wurden zwischen den Gleitern hindurch zu einem Aufzug gefahren. Dieser brachte
sie einige Stockwerke tiefer und somit näher an ihr Ziel.
»Weißt Du schon, was du sie fragen wirst?«
»Was war das noch für eine Art Unternehmen, für das sie arbeitet?«
»Transportservice. Für Leute, die es sich leisten können und
nicht mit dem Zug fahren wollen. Individualtransport sozusagen.«
»Nein«, erwiderte Jason nach einer kurzen Pause. »Ich weiß
noch nicht, was ich sie fragen werde. Was fragt man in so einer Situation? ›Wir
sind auf der Suche nach einem Artefakt, einem Implantat, das Ihr Großvater
hergestellt hat und das angeblich funktionieren soll. Möglicherweise ist
das einzige Modell bei seinem Tod vernichtet worden. Vielleicht gibt es aber
auch noch ein Duplikat. Und, sehen Sie, auf der Suche nach diesem Duplikat haben
wir bereits eine gute Freundin verloren, und jetzt sind wir, nicht nur deshalb,
etwas verzweifelt. Wir hatten gehofft, Sie könnten mal in Ihrer Handtasche
nachschauen. Wir wollten alle Möglichkeiten ausschöpfen und dazu gehört,
neben Ihrer Handtasche, natürlich auch Ihre Wohnung. Wenn Sie dann also
bitte mitkämen.‹ Glaubst du, dass das funktioniert?«
Taisho hatte sich tatsächlich ein Grinsen abringen können, als er
Jasons ›Frage‹ hörte. Es war das erste Mal, dass Jason ihm gegenüber
Sessha und ihren Tod erwähnte. Zwar nur beiläufig, aber immerhin dachte
er daran, dass sie ihr Leben hatte geben müssen. Vielleicht war ihr Sterben
noch mehr Ansporn, die Suche fort zu führen, als es Ansarek im Allgemeinen
oder, was Jason betraf, Shilla waren. Auch wenn Taisho sich nicht wirklich sicher
war, dass ein längeres Leben etwas Gutes war. Zumindest nicht, nachdem
er Prabst oder die Freunde Markasit Ansareks erleben durfte. Waren alle alten
Menschen so? Natürlich hatte er auf Trapag-2 auch agile ältere Lebewesen
getroffen und kennen gelernt. Aber jene hatten ein Ziel, eine Aufgabe, etwas,
was den Alten hier in Poterne zu fehlen schien.
Taisho war so in Gedanken versunken, dass er nicht merkte, wie er stehen blieb.
Und wie Jason es ihm gleich tat.
Die beiden Männer standen in einem langen, metallisch glänzenden Gang.
Er hatte sie von dem Aufzug weg, in Richtung des Zentrums dieses Teils des Raumhafens
geführt. Etwa fünfzig Meter vor ihnen waren zwei Laufbänder zu
erkennen. Außer Betrieb, wie es aussah. Die beiden waren augenblicklich
die einzigen Lebewesen, die sich in dem fensterlosen Gang aufhielten.
Jason blickte sich um.
»Der äußere Schein ist zwar recht ordentlich, aber wenn man
genauer hinsieht ...«
»Was meinst du?«
»Hier«, Jason deutete auf eine Naht in der Wand, die vom Boden bis
zur Decke reichte. »Diese Schweißnaht hat schon leichte Roststellen
an den Rändern. Hätte, bei normaler Wartung, schon längst behoben
werden müssen. Zudem frage ich mich, warum man nicht gleich die Metallkacheln
komplett ausgetauscht hat?«
Taisho betrachtete die von Jason bezeichnete Stelle. Langsam schüttelte
er den Kopf und sah dann zu dem Menschen auf. Zu dem Menschen, der aus einer
anderen Welt stammte.
»Du kannst es nicht verstehen. Aber ich werde trotzdem versuchen, es dir
zu erklären.«
»Können wir währenddessen weiter gehen, oder sollen wir dazu
hier stehen bleiben?«
Jason grinste Taisho an. Der seufzte gespielt auf, und während sie sich
zu den Laufbändern begaben, versuchte er zu erklären, was nicht erklärt
werden konnte.
»Fünfunddreißig Jahre. Das ist die Lebenserwartung. Etwas, mit
dem jeder hier aufwächst und lebt. So lange es eben geht. Natürlich
ist vielen bewusst, dass wir länger leben könnten, dass wir nur den
Angeli, den Exekutoren ausgeliefert sind. Und dass es Möglichkeiten gibt,
sich das eine oder andere Jahr dazu zu verdienen. Indem man Freunde verrät.
Vielleicht auch die Familie. Aber was bedeutet Familie schon? Erzeuger, die
von einem genommen werden, gerade wenn man sie am nötigsten hätte?
Die
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