Rettungskreuzer Ikarus Band 020 - Sankt Salusa
die Kenntnisse der Techniker sich auf Wartungsarbeiten
beschränkten, wurden diese Forschungen geduldet. Tholiks Fortschritt war
unendlich langsam gewesen, doch das eigentliche Ziel hatte er schnell erreicht:
Das Vertrauen aller Schichten zu erlangen und ein tiefes Verständnis für
alle manuellen Schaltvorgänge am Dimensionsfalter zu entwickeln.
Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, dieses Verständnis zum Nutzen seines
Mentors einzusetzen.
Tholik setzte sich an seinen Arbeitsplatz. Es war nicht wirklich »seiner«,
aber seit Beginn seiner Tätigkeit hier hatte er immer an dieser Stelle
gesessen. Die Steuerzentrale war großzügig ausgestattet und hatte
weitaus mehr Arbeitsplätze als Personal. Im Laufe der Zeit hatte sich so
etwas wie ein Gewohnheitsrecht eingeschlichen: Hier sitzt Tholik. Setz du dich
mal woanders hin.
Es war unter anderem diese Art von Gewohnheit, die es dem Priester ermöglicht
hatte, seine Arbeitskonsole nach ganz speziellen Kriterien zu konfigurieren.
Sein Mentor hatte schon seit langer Zeit vorher gesehen, dass ein Eingriff am
Dimensionsfalter eines Tages notwendig sein könnte und dementsprechend
seinen Schützling frühzeitig hier platziert. Tholik war methodisch
und gewissenhaft vorgegangen. Nicht zuletzt durch Decorians Kontakte war er
im Besitz aller Codewörter für die Sicherheitsprotokolle. Er hatte
diverse Ablaufpläne vorprogrammiert, von denen einer nun aktiviert werden
würde. Noch ein, zwei Stunden der Vorbereitung, dann würde er auf
das Signal des Priors warten – ein scheinbar harmloser Anruf über
das allgemeine Interkomsystem – und binnen weniger Minuten wäre er
der Herr der Steuerzentrale und damit auch der alleinige Meister über den
Dimensionsfalter. Ab diesem Zeitpunkt würde auch die Kommunikation mit
Decorian, zumindest vorübergehend, abgebrochen sein. Doch Tholik hatte
seine Instruktionen, und er würde sie bis ins Detail ausführen. Niemals
hatte er eine Anweisung Decorians verfälscht, niemals einen Befehl nicht
ausgeführt, niemals gefragt oder Zweifel geäußert. Für
Decorian würde Tholik auch stoisch den Tod erleiden, eine angesichts seines
Vorhabens nicht einmal unwahrscheinliche Perspektive. Der Priester verschwendete
nicht allzu viele Gedanken an dieses Thema. Er kam nicht einmal auf die Idee,
sein Tun zu reflektieren. Wie konnte er auch, war er doch davon überzeugt,
dass Decorian ein Prophet war, der direkt göttlichem Wille folgte. Tholik
gehorchte Decorian eigentlich gar nicht. Er war nicht mehr und nicht weniger
als ein Werkzeug der göttlichen Alten Völker.
Wie konnte er da zögern?
»Sie wollen sich ausruhen«, erklärte Serbald mit der vagen Hoffnung
in der Stimme, dass dem nicht so sei. Sentenza warf dem Prior Camerlengo einen
aufmunternden Blick zu.
»Wir werden niemals so müde aussehen wie Sie«, erklärte
er mit Wärme. Im Verlaufe ihrer kurzen Diskussion hatte er den Kirchenoberen
zu schätzen gelernt.
Er schien offenbar ein von sich selbst nicht übermäßig eingenommener
Mann zu sein. Das war bei Personen, die eine mächtige Hierarchie weit nach
oben geklettert waren, nicht oft der Fall. Serbald war frustriert, vor allem
war er offenbar bestrebt, seine Frustration mit jemandem zu teilen, der von
»außerhalb« kam, vor allem mit jemandem, der in der Lage und
bereit war, etwas zu tun. Serbald hatte es nicht offen zugegeben, aber die Tatsache,
dass der Erzprior auf so seltsame Weise außer Gefecht gesetzt war, machte
ihm offenbar schwer zu schaffen. Dieser Mann wollte das Amt seines Vorgesetzten
nicht, und die Tatsache, dass er es jetzt vertrat, schien ihm mehr als nur zu
missfallen. Im Grunde konnte man sich keinen besseren Stellvertreter wünschen,
fiel Sentenza spontan ein. Er reflektierte kurz seine eigene Position, jetzt,
da Sonja sein Amt als Kommandant ausfüllte. Abgesehen davon, dass sie seine
Lebenspartnerin war, hatte sie nie auf seinen Posten geschielt und damit auch
nie interne Machtkämpfe ausgelöst. Das wäre sicher anders gewesen,
wenn seine Stellvertreterin An'ta geheißen hätte.
Sentenza Blick fiel auf Thorpa. Der Praktikant hatte sich die ganze Zeit über
bemerkenswert zurückgehalten und kaum zur Diskussion beigetragen. Es schien,
als sei er durch diesen Besuch fast eingeschüchtert. Sentenza hatte sich
nie besonders viele Gedanken um Thorpas religiöse Gefühle gemacht,
doch es schien, als habe die
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