Rettungskreuzer Ikarus Band 020 - Sankt Salusa
ihm auf den Füßen,
die Miliz zerschlagen und das Heiligtum in der Hand der »Ketzer« –
diese Vision trieb Jamir, wie sie seinen Vater getrieben hatte. Doch wo sein
Vater gescheitert war, würde Jamir siegreich sein.
»Morgen beginnen die Übungen mit den Musketen. Gebrauch und Reinigung
zuerst, dann Zielübungen auf Kuhras, im Trab und im Galopp.«
Sandol, sein Adjutant, stieß ein Schnauben aus. Jamir warf ihm einen warnenden
Blick zu. Natürlich war der Galopp eines Kuhras im Vergleich zu dem eines
Shakri ein Witz. Aber gerade Sandol als sein Ohr und seine Stimme – und
seine Faust, wenn es notwendig wurde – sollte sich mit seiner Kritik im
Zaume halten. Der Adjudant senkte beflissen den Kopf.
»Es soll so geschehen, wie Ihr befohlen habt, großer Anführer.«
»Sind die Ausbilder bereit?«
»Ja, Herr. Sie inspizieren die Waffen seit gestern und haben mir mitgeteilt,
dass sie minderwertig, aber funktionsfähig seien.«
»Gut.«
Sieben Ausbilder hatte Jamir unter den Wahrgläubigen gefunden, zumeist
ehemalige Milizionäre, die in der Stadt in Ungnade gefallen waren und danach
ihr Glück bei den »Ketzern« gesucht hatten. Sie waren unzuverlässig
und ihr Wahrglaube, dessen war sich Jamir sicher, ein reines Lippenbekenntnis.
Er kannte die Miliz, und von dort wurde nur verstoßen, wer sich ernsthafter
und zumeist unappetitlicher Verbrechen schuldig gemacht hatte. Doch Jamir brauchte
die Kenntnisse dieser Leute. So überhäufte er sie mit Ehren. Zumindest
so lange, bis er selbst genügend fähige Schützen hatte, und das
würde nach zwei Wochen intensiven Trainings, kurz vor Beginn der Prozession,
der Fall sein.
Was nur noch keiner wusste, war die Tatsache, dass Jamir seinem Plan noch einen
delikaten Aspekt hinzugefügt hatte.
»Sandol, ich habe unseren Plan ergänzt. Jetzt, da sich der Erste Staubdiener
beim Heiligtum aufhält, können wir unserem Vorhaben noch etwas Würze
geben.«
Sandol sagte nichts, sondern nickte nur. Er hatte über die Jahre erkannt,
dass Jamir erst dann über seine Pläne berichtete, wenn er sie gründlich
durchdacht hatte. Ein wesentlicher Grund für die Loyalität, die der
Anführer bei seinen Gefolgsleuten erzeugte, war die Grundhaltung, dass
er im Gegensatz zu seinem Vater die Männer der Schwadronen nicht als bloßes
»Material« für die Ausführung seiner Pläne ansah, sondern
immer darauf Acht gab, dass unnötige Risiken vermieden wurden. Und dort,
wo Risiken unausweichlich waren, galt es, diese zu verringern.
»Wir werden bereits jetzt das Wachhaus angreifen und in Besitz nehmen.
Wenn die Prozession kommt, werden wir den Feind von einer völlig unvorhergesehenen
Seite her angreifen können. Ich stecke eine Schwadron in Milizuniformen.
Sie werden erst ganz zum Schluss erkennen, dass sie in eine Falle gelaufen sind.«
»Die Männer sind noch nicht an den Musketen ausgebildet«, gab
der Adjutant zu bedenken.
»Das macht nichts. Wir werden das Wachhaus auf Kuhras angreifen, mit großer
Überlegenheit. Niemand wird entkommen. Und ein schöner Preis ist ebenfalls
enthalten: Der Erste Staubdiener wird in unsere Hände fallen.«
»Aber wenn dieser nicht rechtzeitig zur Prozession in die Stadt zurückkehrt,
wird man dort Verdacht schöpfen«, erweiterte Sondal seine Bedenken.
Ein weiterer Grund für die Loyalität war die Tatsache, dass Jamir
– erneut im Gegensatz zu seinem Vater – Widerworte und Kritik zuließ.
Innerhalb eines gewissen Rahmens natürlich. Sondals Rahmen war sehr weit.
Es war sein Gehirn, auf dem Jamir seine Pläne regelmäßig spiegelte,
ehe er sie allen bekannt gab.
»Sollen sie, sollen sie«, erwiderte Jamir. »Sie werden nach dem
Angriff dieser Dummköpfe, denen ich die Nachteile der Shakris noch einmal
vor das Echtauge führen musste, ohnehin einen ganzen Zug Miliz mitschicken.
Wir sind in jedem Falle überlegen, und die Prozession absagen können
und werden sie nicht. Es ist das zentrale Ritual, um das sich alles dreht. Es
hat seit allem Gedenken stattgefunden, und nur, weil der Erste Staubdiener unvorsichtig
war und auf dem Rückweg über eine Bestie stolperte und in ihrem Rachen
landete, sagt man keine Prozession ab.«
»Es wird einen Suchtrupp geben, eventuell wird er bis zum Wachhaus vordringen.«
»Marodierende Schwadronen, wie sie um diese Zeit immer vorkommen, werden
sie in Atem halten. Nur die Prozession selbst wird es in diesen Tagen wagen,
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