Rettungskreuzer Ikarus Band 025 - Kaisersturz
weisen Erzprior erhofften.
Der gläserne Korridor schloss an einen Vorraum an, in dem bereits ein bekanntes
Gesicht wartete. Der hoch gewachsene Mann mit den graugrünen Augen starrte
Nova an, als hätte er ein Gespenst gesehen. Er wirkte deprimiert und gekränkt,
vielleicht auch ein wenig traurig. Auf seinem Kopf waren die ersten Haarstoppel
zu sehen. Seit ihrer Flucht von der Zuflucht gab es keinen Grund mehr,
die Tradition der Suchenden aufrecht zu erhalten und barhäuptig
aufzutreten.
Komisch , dachte Nova, ich hätte gedacht, er hätte schwarzes
Haar. Doch Nick Renos Stoppel waren mittelblond. Nova fuhr sich über
den eigenen Kopf und spürte ein raues Kratzen unter den Fingern. Es würde
Monate dauern, bis sie wieder ihr volles, dunkles Haar besaß.
»Hallo, Nick«, begrüßte sie den kirchlichen Agenten, den
man ihr hinterher geschickt hatte, um sie aus Asianos Fängen zu retten.
Der Mann erwiderte nichts.
Anscheinend hatte ihn Prior Esteban über Novas wahre Identität aufgeklärt.
Sein Blick sprach Bände und bestätigte ihre Vermutung.
Nova blieb vor ihm stehen und schaute zu ihm auf.
»Ich kann verstehen, dass du sauer bist. Aber worüber wir auch immer
an Bord der Zuflucht geredet haben ... das war nicht ich. Das war die
Nova, die von Asiano beeinflusst wurde und sich nicht mehr an ihren Auftrag
erinnerte.«
Reno lachte auf. » Welchen Auftrag?« Seine Miene wurde abrupt
wieder ernst, schaffte keinen Platz für einen freundlichen Blick, sondern
nur für Verbitterung und tiefe Enttäuschung.
»Ich habe im Sinne der Kirche gehandelt«, sagte Nova. Für einen
Moment überlegte sie, ob sie sich wirklich vor Reno rechtfertigen musste.
Ob sie ihn überzeugen wollte, dass das, was sie getan hatte, richtig war.
Schließlich hatte er ihr Leben gerettet.
Ohne ihn wäre die Crew des Rettungskreuzers einfach wieder abgezogen, als
Asiano ihnen erklärte, dass es keinen Notfall auf der Zuflucht gab.
Nova schuldete Nick Reno ihr Leben – und er hatte ihr vertraut. Allein
dafür verdiente er es, ihren Standpunkt zumindest zu verstehen.
»Meine Mission war es, Asiano zu beobachten und hinter seine Machenschaften
zu kommen. Ehe er mich einer Gehirnwäsche unterzog, habe ich diesen Auftrag
für die Amtskirche durchgeführt.«
Reno verzog verächtlich die Mundwinkel. »Das ändert nichts an
der Tatsache, dass du eine Spionin bist. Eine Doppelagentin, die für das
Multimperium arbeitet.«
Nova seufzte. Er hatte Recht. Sie konnte durchaus verstehen, dass er so reagierte.
Spionage war ein unsauberes Geschäft, und sie hatte Renos Vertrauen enttäuscht.
»Genug geredet!«, mischte sich Prior Esteban ein. »Wir gehen
weiter.«
Die Adeptin der Raummissionare fasste sie am Arm und zog sie mit sich auf einen
Durchgang im Vorraum zu. Ohne sich zu Reno umzudrehen, ging Nova weiter und
trat in die dahinter liegende Aufzugkabine.
Als sich die Türen summend hinter ihr schlossen fragte sie: »Was geschieht
jetzt?«
»Wir sind keine Unmenschen, Fehlgeleitete«, antwortete Esteban. »Wir
haben deine Habe bereits zusammen gepackt und einen Platz auf einem Missionskreuzer
organisiert. Das Schiff wird dich in die Nähe von Persephone bringen, mit
einer entsprechenden Botschaft unseres Erzpriors an deinen verehrten Kaiser.«
Die letzten Worte über den Herrscher des Multimperiums kamen mit einem
spöttischen Unterton über seine Lippen. Es war bekannt, dass die Kirche
nicht viel von der kaiserlichen Monarchie hielt. Man agierte lieber selbst autonom
und unterwarf sich selten den Belangen des Reiches. Im umgekehrten Fall waren
die Diözesen innerhalb des Multimperiums eine nicht zu unterschätzende
Einnahmequelle der Kirche.
Nova kniff die Lippen aufeinander. Sie wusste nichts auf die Worte des Priors
zu erwidern. Die Kirche befand sich im Recht und hatte sie als Spionin entlarvt.
Ich habe zwei Mal versagt , dachte sie. Sowohl bei der Mission des multimperialen
Geheimdienstes als auch bei dem Auftrag der Amtskirche bezüglich Asiano
und seinen Machenschaften. Sie fragte sich, was sie zu Hause auf Persephone
erwartete. Ihre Vorgesetzten waren sicherlich alles andere als angetan von ihrer
Schlappe.
Gegenwart, 71 Stunden vor Sentenzas Tod
Sie durfte sich setzen und war darüber verwundert. Normalerweise ließ
Moob Krid seine Untergebenen ausschließlich stehen, wenn sie in seinem
Büro antraten. Moob war einer der Vorgesetzten,
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