Rettungskreuzer Ikarus Band 025 - Kaisersturz
Bankenviertel befand
sich etwa zwanzig Blocks entfernt. Selbst von ihrer Position aus vermochte Nova
noch die Lichter aus den Bürogebäuden zu erkennen, die größtenteils
ein- bis zweihundert Stockwerke höher waren. In den frühen Abendstunden
arbeiteten anscheinend noch genügend dienstbeflissene Banker und Broker,
die sich nicht von ihrem Job trennen konnten. Nichts hatte sich seit ihrem letzten
Aufenthalt auf der Hauptwelt des Multimperiums verändert. Persephone zeigte
sich als immer schlagender Puls im Zentrum der kaiserlichen Monarchie eines
Weltenreichs.
Der Airway führte keine hundert Meter an dem Hotelgebäude vorbei.
Unzählige Gleiter flogen auf dem Leitstrahl des städtischen Verkehrssystems
fast auf Novas Augenhöhe in Richtung des Stadtzentrums.
Die 34jährige mit dem langen, braunen Haar beugte sich über das Geländer
des Balkons und spähte in die Tiefe. Zweihundert Meter unter ihr floss
der bodengestützte Verkehr von Ost nach West und mutete aus der Schwindel
erregenden Höhe wie ein wimmelnder Ameisenhaufen an. Von ihrer Zielperson
nicht die geringste Spur.
Ein Fiepen an ihrem Gürtel ließ sie leise Fluchen. Sie klinkte das
Komlink aus der Schnalle aus und aktivierte die Verbindung.
»Ja, Sir?«
»Er ist Ihnen entwischt.«
Nova seufzte. Sie war versucht, ihrem Vorgesetzten zu widersprechen, aber es
war offensichtlich, dass sie versagt hatte.
»Es sieht ganz so aus«, sagte sie.
»Kehren Sie zur Basis zurück!«
Sie machte sich nichts vor. Bisher war sie nicht wieder zu alter Form aufgelaufen
und hatte die Probeaufträge vermasselt. Sie bestätigte den Befehl
und unterbrach die Verbindung. Noch einmal inspizierte sie den Balkon, fand
jedoch keine Spuren ihres Ziels. Achselzuckend verließ sie das Hotelzimmer,
suchte den nächsten Expresslift auf, um zum Hauptquartier zurückzukehren.
Eine Erinnerung
Die Dunkelheit schien eine Ewigkeit zu währen. Sie konnte sich nicht daran
erinnern, wann sie das letzte Mal Licht um sich gehabt hatte. Während ihr
Geist durch die Finsternis trieb, träumte sie. Ihre Gedanken wanderten
durch diffuse Schleier der Vergangenheit. Sie fand sich in surrealistischen
Umgebungen wieder. Farbenspiele umgaben sie. Sie stand auf Wolken, sprang von
einem Ende des Universums zum anderen und wieder zurück zu ihrem Ursprung.
Sie sah das Hauptquartier, ihren Chef, sah, wie sie während eines Hyperraumsprungs
im Raumanzug aus einem Schiff sprang, um an der Außenhaut eine Bombe zu
entschärfen. Sie sah die Adepten der Amtskirche, den Erzprior, der ihr
eine Audienz gewährte, in der Annahme, sie wäre eine Suchende. Und
sie sah die Zuflucht und Asiano ...
Der Name weckte tiefere Erinnerungen in ihr. Schmerzen und Wollust, Gefahren
und Tod.
Sie erwachte.
Nova Meridia öffnete die Lider und sondierte ihre Umgebung, ohne den Kopf
zu bewegen. Über sich erblickte sie eine sterile Decke. Aus den Augenwinkeln
nahm sie einen schwachen Lichtschein wahr. Sonst konnte sie nichts erkennen.
Sie atmete tief durch, versuchte sich zu entspannen und das Chaos in ihren Gedanken
zu ordnen. Sie wusste ihren Namen. Soweit so gut. Die Bilder, die auf sie einströmten,
waren wirr. Nova musste sie in die richtige Reihenfolge bringen, wenn sie die
Zusammenhänge erkennen wollte.
Was ist geschehen?
Zuflucht.
Das Wort hämmerte direkt hinter ihrer Stirn.
Sie verband damit ein kuppelförmiges Gebilde – ein Raumschiff! Nova
sah vor ihrem inneren Auge runde Gänge im Rumpfbereich, weite Wiesen und
Wälder unter einer Kunstsonne innerhalb der gewaltigen Kuppel.
Zuflucht , sinnierte sie. Das war der Name seines Raumschiffs. Asianos
Schiff. Sie erinnerte sich an den charismatischen Führer der Erleuchteten.
Nach und nach erfasste sie für sich die Verbindungen und brachte ihre Eindrücke
in einen gemeinsamen Kontext. Nova war als Agentin der Galaktischen Amtskirche
in Asianos Reihen eingeschleust worden. Unglücklicherweise hatte der Führer
sie enttarnt und einer Gehirnwäsche unterzogen. Die Kirche hatte einen
weiteren Agenten geschickt, Nick Reno, um sie aus der Gefangenschaft zu befreien,
doch er war ebenfalls an Bord der Zuflucht in Bedrängnis geraten.
Erst die Mannschaft des Rettungskreuzers Ikarus vom Freien Raumcorps
hatte sie und Reno gerettet. Danach war sie von Reno zurück nach St. Salusa
gebracht worden.
An den Rückflug trug sie so gut wie keine Erinnerungen. Sie
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