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Rettungskreuzer Ikarus Band 036 - Schlacht um Vortex Outpost

Rettungskreuzer Ikarus Band 036 - Schlacht um Vortex Outpost

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 036 - Schlacht um Vortex Outpost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylke Brandt
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verschwunden.

    Eine noch.
    Melody presste die Lippen fest zusammen und machte die Anzeigen der Steuerungskontrollen
zum Zentrum ihrer Welt. Natürlich wusste sie, dass die Station verloren
war, und ein Teil von ihr tobte in Panik, wenn Vortex Outpost wieder getroffen
wurde, wenn irgendwo gar nicht so weit entfernt Metall kreischend zerbarst.
Der Geruch von Feuer lag in der Luft, Rauch breitete sich aus.
    Tief in sich spürte sie uralte Instinkte mit den Fäusten gegen die
Türen ihres Verstandes hämmern. Feuer war schlecht. Feuer war tödlich.
Von der Asche eines Steppenbrandes, den ihre hominiden Vorfahren gefürchtet
hatten, bis hin zu dem Geruch von schmorendem Kunststoff war es nur ein winziger
Schritt. Die Hand, die an ihrem Verstand rüttelte und sie endlich zur Flucht
zwingen wollte, war haarig, die weit aufgerissenen Augen in dem groben Gesicht
waren blank vor Furcht. Ihre Ahnin tief in ihrem Inneren, Mutter der Instinkte,
wusste nichts von Raumschiffen, von Disziplin, von Verpflichtungen, von Kriegen.
Aber sie wusste sehr genau Bescheid, worauf es im Grund ankam: nur auf das Überleben,
nichts sonst war wichtig. Wenn ein Geräusch zu laut war, rannte man weg.
Wenn es brannte, rannte man nur noch schneller. Niemals, niemals überlebte
man, indem man sitzen blieb und so tat, als wäre nichts geschehen. Das
war nicht, wie die Welt funktionierte, weder in der Steppe noch in einer Raumstation.
Ihre Ahnin heulte, wortlos, frustriert, wütend. Warum nur ignorierte der
Verstand diese simplen Wahrheiten?
    Natürlich wusste Melody, dass jede Minute, die sie länger hier blieb,
sie das Leben kosten konnte. Aber zum Entsetzen des uralten Wesens in ihrem
Inneren hatte sie beschlossen, dieses Wissen zu verdrängen, so lange es
ging.
    Eine noch.
    Sie richtete ihren verbliebenen Torpedowerfer auf die nächste Zielkoordinate
aus, willkürlich, und feuerte. Es war ihr gleich, ob der Outsider, den
sie beschoss, bereits beschädigt war oder noch völlig unversehrt.
Sie hatte nicht mehr die Zeit, darauf zu achten. Sie lief auch nicht mehr Gefahr,
einen Verbündeten zu treffen – es gab keine. Alles, was sie da draußen
im Anflugsektor erwischte, konnte nur der Feind sein. So kalt Melody auf der
einen Seite auch war, so berauscht fühlte sie sich auf der anderen. Ein
kleines Raubtier im Blutwahn, das nicht merkt, dass seine Beutetiere viel zu
groß sind, sondern nur die Hitze spürt, wenn die Zähne sich
in warmes Fleisch graben.
    Als wäre sie zweigeteilt, beobachtete Melody sich selber. Reißen,
hassen, um sich schlagen und ein Hochgefühl genießen, das angesichts
der Situation völlig unbegründet war, ein Fest der Vernichtung –
und sie war mitten drin, kreiselnd, Blut spritzend. Und gleichzeitig verlor
sie nie die Kontrolle über die Technik, mit der sie so verbunden war. Daten
abrufen, zielen, Feuerbefehle geben und irgendwo am Rande registrieren, wie
immer mehr von Vortex Outpost starb, wie Teile des Netzwerkes dunkel wurden.
Als würden Lampen um sie herum verlöschen und die Nacht näher
rücken lassen, bis sie nur noch in einer kleinen Insel aus Licht saß.
    Ohboy hatte gesagt, dass ihr übersteigertes Pflichtgefühl eines Tages
ihr Ruin sein würde. Damals hatte er es darauf bezogen, dass sie zu viel
arbeitete und zu wenig das tat, was er als Spaß empfand: auf Partys gehen,
feiern, amouröse Sozialstudien mit den Besuchern der Station durchführen.
Wer hätte gedacht, dass seine Worte sich einmal als so prophetisch erweisen
würden?
    Der Gedanke an Ohboy verunsicherte sie, störte sie auf. Wo er wohl war?
Hatte er die Station mit einem der letzten Schiffe verlassen? Sie konnte es
nicht sagen. Als der Evakuierungsalarm ertönte, hatte sie die Kommlinks
deaktiviert und die Tür zu ihrer Steuerzelle verschlossen. Jemand hatte
von außen dagegen gehämmert, einige Zeit lang, aber natürlich
war das Schott so nicht zu knacken. Dann war es still geworden – abgesehen
von dem fernen Bersten und Brechen und dem Alarm, den sie nicht abstellen konnte.
Das Dröhnen der großen Hauptgeschütze in der Mitte der Station
war schon lange verstummt. Soweit sie wusste, mochte sie das letzte lebende
Wesen auf der ganzen Station sein. Ging nicht eigentlich der Kapitän mit
seinem Schiff unter?
    »Ich will ja nicht mit Vortex unter gehen«, murmelte sie und erschrak
fast, als sie ihre Stimme hörte. »Ich will nur noch nicht

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