Rettungskreuzer Ikarus Band 046 - Welt der Schlafenden
wollte.
»Botschafter, Sie können nicht einfach –«
Der Schott glitt auf, und Pakcheon trat ein, ohne seinen Schritt verlangsamt zu haben. Erst vor dem Schreibtisch der Direktorin blieb er stehen, beugte sich vor und stützte sich schwer auf. Dabei wirbelten einige Papiere zu Boden. Seine Augen suchten die von Sally McLennane, die weder überrascht noch erschrocken wirkte.
»Wo ist er?«
»Wer?«
»Entschuldigen Sie Ma’am«, rief der Sekretär. »Ich konnte den Botschafter nicht aufhalten. Soll ich den Sicherheitsdienst informieren?«
Pakcheon ignorierte den Mann auch weiterhin und konzentrierte sich auf sein Gegenüber. »Lassen Sie die Spielchen. Ich bin höflich. Noch. Und lese nicht Ihre Gedanken. Aber das kann sich schnell ändern. Wenn Sie glauben, ich würde politische Komplikationen auf jeden Fall vermeiden wollen, irren Sie sich. Also, wohin haben Sie Cornelius bringen lassen?«
Sally McLennane seufzte. »Es ist in Ordnung, Browers. Lassen Sie uns allein.« Und an Pakcheon gewandt: »Mr. Cornelius hat sich entschlossen, die Phoenix auf einer wichtigen Mission zu begleiten.«
»Tatsächlich«, entgegnete Pakcheon sarkastisch. »Haben Ihre Leute ihn mit einem Schlag über den Schädel überredet?«
»Das war nicht nötig. Wenn Sie die Aufzeichnungen überprüfen, werden Sie feststellen, dass keine Gewalt angewendet wurde. Ihre KI durchsucht doch sicherlich gerade unsere Datenbank? Dann wird Sie Ihnen auch bestätigen, dass die Aufnahmen nicht gefälscht wurden.«
»Ich glaube Ihnen nicht. Sie haben Cornelius hereingelegt oder ihn mit irgendetwas erpresst. Anderenfalls hätte er mich darüber informiert, dass er die Station verlässt.«
Sally McLennane zuckte mit den Schultern. »Ich kann nicht beurteilen, ob Mr. Cornelius Sie an all seinen Entscheidungen teilhaben lässt. Wenn Sie nicht benachrichtigt wurden, wird er vielleicht seine Gründe gehabt haben.«
»Das werde ich herausfinden. Wohin fliegt die Phoenix ?«
»Haben Sie den Inhalt des Ordners, den ich Mr. Cornelius gab, dekodiert? Dann wissen Sie es. Für Ihr fotografisches Gedächtnis dürfte es leicht sein, sich an die Koordinaten zu erinnern.«
Ohne eine Erwiderung drehte sich Pakcheon um und verließ das Büro der Direktorin. Sally McLennane lehnte sich in ihrem Sessel zurück und atmete ein Mal tief ein und wieder aus.
Browers streckte den Kopf herein. »Geht es Ihnen gut, Ma’am? Sie sehen blass aus. Soll ich Dr. Ekkri verständigen? Oder den Sicherheitsdienst?«
»Nein, nein, mir fehlt nichts. Vergessen Sie, was eben geschehen ist, und gehen Sie wieder an Ihre Arbeit. Der Botschafter war lediglich … etwas ungehalten. Ach, und sagen Sie seine Termine ab. Das hat er bestimmt vergessen.«
»Wie Sie wünschen, Ma’am.« Browers wirkte wenig überzeugt von der lahmen Erklärung, aber das war Sally McLennane egal.
Nachdem sich das Schott geschlossen hatte, öffnete sie eine Klappe ihres Schreibtisches, entnahm dem schmalen Fach eine halb volle Flasche und ein Glas. Ihre Hände bebten, während sie sich einen Daumenbreit Kryll-Whisky eingoss. Sie trank den Inhalt auf ex.
Die Hitze, die sich erst in ihrer Kehle und dann in ihrem übrigen Körper ausbreitete, ließ sie sich etwas besser fühlen.
Das war riskant gewesen. Sally McLennane hatte geahnt, dass Pakcheon emotional reagieren würde, wenn es um Cornelius ging, aber diese Wut hatte sie nicht erwartet. Er ist gefährlich. Gefährlicher, als ich gedacht habe. Wenn er die Kontrolle verliert, wer weiß, wozu er imstande ist.
Unwillkürlich schauderte sie. Sie schenkte sich einen zweiten Whisky ein, den sie diesmal langsamer trank.
Prost, Milton! Wieder einmal vermisste sie ihren langjährigen Weggefährten Milton Losian, der ihr in Situationen wie dieser früher immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte. Der pensionierte Captain war nun schon fast drei Jahre tot, und er fehlte ihr mehr denn je. Was hättest du getan, alter Freund? Oder was würdest du mit dieser scharfen Bombe tun?
Zum Glück hörte niemand ihr leicht hysterisches Kichern. Scharf … das passt wirklich zu ihm wie die Faust aufs Auge. Apropos Auge: Haben Pakcheons Augen geleuchtet? Oder habe ich mir das eingebildet? Hinter dem … scharfen Äußeren verbirgt sich zweifellos ein Monster. Und ich hätte nur einen Whisky trinken sollen.
Sally McLennane schloss die Flasche wieder fort und schob das leere Glas zur Seite.
Dann stellte sie eine Verbindung zur Krankenstation her. »Dr. Ekkri, legen Sie
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