Rettungslos verliebt
Deshalb kam man mit dem ganzen Prozess nicht weiter.
Dennoch saß Lydia nicht untätig herum. Sie half einer Stute, ihr Fohlen zur Welt zu bringen, und sie räumte mit Sarah und Rolf die Scheune aus. Schließlich ging sie in die Küche und bereitete das Dinner vor. Nachdem der Braten im Backofen und die Kartoffeln geschält waren, setzte sie sich auf die Treppe der Veranda und beobachtete den Sonnenuntergang. Plötzlich gesellte sich Meg zu ihr, und das konnte nur bedeuten, dass Joe nach Hause gekommen war.
Aber Lydia hatte ihn nicht gehört. Offenbar geht er mir aus dem Weg, dachte sie und lächelte.
Doch in dem Moment kam er mit einer Flasche Bier in der Hand auf die Veranda und wirkte sehr entspannt.
"Wie ich sehe, hattest du so etwas wie eine schöpferische Krise und keine ..." begann Lydia, ohne den Satz zu beenden.
Er setzte sich neben sie. "Du meinst, weil ich in den letzten Tagen so schweigsam war? Ja, stimmt genau. Aber wie kommst du darauf? Und woher willst du wissen, dass ich die Krise überwunden habe?"
"Ich kenne mich damit aus", erwiderte sie. "Mein Vater reagiert genauso. Ich würde es jedoch nicht schweigsam nennen, sondern launisch. Hinterher wirkt er richtig glücklich und entspannt - genau wie du momentan."
"Schade, dass ich so leicht zu durchschauen bin. Was wolltest du eben noch sagen?"
Lydia biss sich auf die Lippe. Sie hatte gehofft, er hätte gar nicht gemerkt, dass sie den Satz nicht beendet hatte. "Ach, deine Schwester hatte so eine Bemerkung gemacht", erwiderte sie leise.
"Dann brauchst du mir nichts zu erklären. Sarah glaubt wahrscheinlich, ich hätte schlechte Laune, weil ich mit dir nicht weiterkomme. Und sie hat sogar Recht."
Die Sonne war untergegangen, während ihre Strahlen den Himmel orange und rosarot färbten. Es war ein atemberaubend schöner Anblick, wie das staubige Land jenseits des Gartenzauns in das farbenprächtige Licht gehüllt wurde.
Lydia beobachtete, wie sich die Farben langsam auflösten. Dann drehte sie sich zu Joe um. "Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll."
"Ja, das merke ich."
"Hatte es denn überhaupt nichts damit zu tun, dass du keine schöpferischen Ideen hattest?"
"Doch, etwas schon." Er zuckte die Schultern. "Ich habe jedoch noch ein anderes Problem und weiß nicht, womit ich das verdient habe."
"Dann lass uns doch darüber reden", schlug sie vor.
Er blickte sie leicht ironisch an. "Okay. Momentan habe ich Urlaub, aber wenn Sarah und Rolf länger wegbleiben müssen, womit ich rechne, wird es für mich schwierig."
"Hast du nicht erwähnt, die moderne Technologie ermögliche es dir, deinen Beruf auch von hier aus auszuüben?"
"Ich habe gehofft, es würde mir gelingen. Aber ich muss an Ort und Stelle sein, wie sich herausgestellt hat", antwortete er.
"Kannst du keinen Manager einstellen?"
"Es ist nicht leicht, jemanden zu finden. Sarah und Rolf sollen sich entspannen u nd sich keine Sorgen um Katerina machen."
"Und weshalb wirkst du dann plötzlich so locker und gelöst?" fragte sie langsam.
Joe lächelte. "Jedenfalls nicht, weil ich auf einmal eine Idee hätte, wie ich an dich herankommen kann, Lydia. Nein, ich habe eine Entscheidung getroffen: Ich lasse mich für die nächsten neun Monate beurlauben. Statt Cartoons zu zeichnen, schreibe ich nur jede Woche eine Kolumne übers Outback, sozusagen als Ersatz."
"Das ist sehr ... anständig von dir", erwiderte Lydia.
"So? Mich halten sowieso alle für anständig - außer dir", entgegnete er und hob die Bierflasche.
Sie betrachtete seine sonnengebräunte Haut und seine kräftigen Muskeln und erbebte. Schließlich stand sie auf und ging wieder in die Küche. Joe versuchte nicht, sie aufzuhalten, und er bot auch nicht an, ihr zu helfen.
Am Abend konnte Lydia nicht einschlafen und warf sich ruhelos im Bett hin und her. Die Gedanken an Joe ließen ihr keine Ruhe. Er hatte Recht, sie fühlte sich sehr zu ihm hingezogen. Und sie war im Begriff, aus dem Schneckenhaus, in das sie sich nach Brads Tod
zurückgezogen hatte, herauszukommen, und wusste nicht, wie sie mit der neuen Situation umgehen sollte.
Da sie und Brad nicht nur körperlich, sondern auch seelisch übereingestimmt hatten, würde sie nie mit weniger zufrieden sein.
Außerdem stellte sich natürlich die Frage, was Joe in ihr sah. Wollte er sich vielleicht nur selbst etwas beweisen?
Der Gedanke gefiel Lydia nicht, und sie gestand sich ein, dass sie nicht viel über ihn wusste. Außerdem durfte sie natürlich Daisy nicht
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