Rettungslos verliebt
gebrochenen Arm im Straßengraben, und ich fand mich in einer Hecke wieder, hatte aber nur Schnittwunden und Prellungen."
"Dann warst du selbst ein halber Junge, oder?" fragte Joe langsam und blickte sie nachdenklich an.
Sie zuckte die Schultern. "Ich glaube, ich habe mich schon immer dafür interessiert, wie alles funktioniert, und natürlich für Tiere. Wie warst du denn als Kind?"
Joe streichelte Megs Kopf. "Ziemlich schwierig, muss ich zugeben.
Mit meinem Vater bin ich nicht gut zurechtgekommen."
"Das tut mir Leid", sagte Lydia mitfühlend. "Ich habe mich oft gefragt, wie meine Mutter - Daisy ist ihr offenbar sehr ähnlich - mit einem so schwer erziehbaren Kind wie mir zurechtgekommen ist", fügte sie hinzu.
"Du glaubst doch nicht wirklich, du seist schwer erziehbar gewesen, oder?"
"Nein, aber ich war anders als andere kleine Mädchen." Plötzlich hörten sie ein Geräusch.
"Die Rettung naht, Lydia", stellte Joe fest und sah sie an.
Sie schluckte und erwiderte seinen Blick. Sie war sich Joes Gegenwart viel zu sehr bewusst. Seine erotische Ausstrahlung war ungemein faszinierend, aber Lydia hatte auch das Gefühl, dass er viel sensibler war, als sie zunächst vermutet hatte. Er war ihr ein Rätsel und irritierte sie.
Als der Truck schließlich mit Rolf am Steuer die Piste hinunterfuhr, sahen Lydia und Joe sich noch immer in die Augen.
Sarah hielt sich seltsamerweise mit Fragen zurück, obwohl sie Lydia nachdenklich ansah. Aber vielleicht lag es nur an dem warnenden Blick, den Joe seiner Schwester zuwarf. Oder sie war so sehr mit ihren Plänen beschäftigt, dass sie für nichts anderes Zeit hatte. Sie war von Dunoon mit der Idee nach Hause gekommen, am nächsten Samstag einen "B&S"-Ball zu veranstalten.
"Einen Ball?" wiederholte Joe gereizt. "Wir sind mitten im Aussondern der Rinder, Sarah! Außerdem wollt ihr weg."
"Ach, mit der Party wollen wir uns in den Urlaub verabschieden, und Lydia lernt unsere Nachbarn kennen."
"Reden wir hier von einem ,Bachelor and Spinster Ball', einem Junggesellen-und Jungfrauen-Ball?" fragte Lydia.
"Der Name bedeutet nichts", antwortete Joe ironisch. "Die meisten Gäste sind verheiratet, wie du feststellen wirst."
"Wen stört das denn?" sagte Sarah fröhlich. "Joe, sei doch so gut, organisier die Musik. Rolf räumt die kleinere Scheune aus - das stimmt doch, mein Lieber, oder? Ich habe schon mit dem Koch der Dunoons geredet, er sorgt für das Essen. Wir brauchen dann nur noch Grillgeräte und Brennmaterial bereitzustellen. Und natürlich das Fleisch."
"Na, wenigstens ein kleiner Lichtblick", spottete Joe.
"Du hast offenbar schlechte Laune, Joe. Warum setzt du dich nicht hin und zeichnest einen Cartoon?" schlug Sarah vor. Er sagte etwas vor sich hin und ging weg.
"An ein Outfit für eine Party habe ich gar nicht gedacht, Sarah", erklärte Lydia einige Tage später.
Sarah lachte. "Lass mich mal einen Blick in deinen Kleiderschrank werfen, wir finden bestimmt etwas."
"Meine liebe Lydia", sagte sie kurz darauf und hielt das schwarze Kleid hoch, das Lydia nur deshalb eingepackt hatte, weil sie mit Brads Eltern in Townsville zum Dinner hatte ausgehen wollen. "Und du behauptest, du hättest kein passendes Outfit."
"Es ist doch viel zu kurz und kein richtiges Ballkleid. Es ist..."
"Himmlisch", fiel Sarah ihr ins Wort und betrachtete das Designerkleid aus schwarzem Seidengeorgette bewundernd. "Ich kann mir vorstellen, wie fantastisch du darin aussiehst. Joe wird hingerissen sein."
Lydia setzte sich aufs Bett. "Sarah, dein Bruder hat in den letzten Tagen kaum zwei Worte mit mir gesprochen."
"Ich weiß. Er läuft umher wie ein verwundeter Bär. Vielleicht entwickelt sich etwas nicht so, wie er es gern hätte, oder es fehlen ihm Inspirationen."
"Daisy hat behauptet, er sei launisch", sagte Lydia, ohne nachzudenken.
Sarah zog eine Augenbraue hoch. "Deine Schwester?"
"Ja."
"Sie hat Recht. Am besten ignorierst du es. Ich muss mich beeilen, denn ich habe Rolf versprochen, ihm zu helfen. Bist du so lieb, dich ums Dinner für heute Abend zu kümmern?"
"Natürlich", erwiderte Lydia, während sie aufstand und das Kleid wieder in den Schrank hängte.
Der Tag verlief relativ angenehm. Die meisten Männer waren damit beschäftigt, auf einer anderen Weide Absperrungen für das nächste Aussondern der Rinder zu errichten. Aber einer der riesigen Trucks, die man Road Trains nannte und die bis zu fünfzig Meter lang waren, verspätete sich, weil er unterwegs eine Panne hatte.
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