Rettungslos
der Nebel sich verzog, und währenddessen mit den Bewohnern geplaudert. Womöglich gehört das Haus ja dem Mann, der sie kurz darauf aus dem Wasser gezogen hat â¦
Mit einem Ruck fährt sie hoch. Ihr Retter! Sie hat ganz vergessen, sich nach seinem Namen zu erkundigen. Er hat den Unfall ja mit angesehen und kann ihr bestimmt helfen, ein paar der fehlenden Puzzleteile zu finden.
Sie wirft die Decke von sich, zieht den Morgenmantel über und geht nach unten. In der Küche duftet es verlockend nach gebratenen Zwiebeln. Freek steht am Herd und sieht sie überrascht an.
»Kannst du nicht schlafen?«
»Nein, ich finde einfach keine Ruhe. Ich muss die ganze Zeit an den Mann denken, der mich gerettet hat. WeiÃt du, wer es war?«
»Ja, ich habâs mir notiert, weil du dich sicherlich bedanken willst. AuÃerdem meinte einer der Polizisten,
manchmal sei es gut, wenn Opfer und Retter sich kennenlernen, es helfe bei der Verarbeitung.«
»Vielleicht hilft es auch meinem Gedächtnis auf die Sprünge. Es belastet mich, dass ich so vieles nicht mehr weiÃ.«
»Das ist nur verständlich. Eine Stunde ist zwar kein langer Zeitraum, aber schlieÃlich geht es um eine sehr entscheidende Stunde. Ich würde an deiner Stelle auch wissen wollen, was genau passiert ist.« Routiniert wendet er die Zwiebelringe in der Pfanne.
»Wo ist der Zettel?«, fragt Senta.
»Ich habe ihn vorn in meinen Taschenkalender gelegt, und der ist oben, am Computer. Aber hör mal, Senta â¦Â« Freek runzelt leicht die Stirn. »Muss das unbedingt jetzt sein? Du bist gerade erst nach Hause gekommen!«
»Ich will den Zettel nur haben. Den Mann rufe ich dann am Wochenende an. Vielleicht ist es ihm ja recht, dass ich vorbeikomme.«
Freek sieht sie besorgt an. »Du weiÃt, dass du vorerst nicht Auto fahren sollst, oder?«
»Wer sagt das?« Verdutzt sieht Senta ihn an. »Ich fühle mich pudelwohl. Warum sollte ich mich nicht ans Steuer setzen? Du selbst wolltest vorhin noch, dass ich eine Probefahrt mache!«
»Aber auf dem Beifahrersitz! Was, wenn du beim Fahren ein Blackout bekommst?«
»Warum sollte ich? Hat Frau Dr. Reijnders etwa gesagt, das könne passieren?«
»Das nicht, aber man kann nie wissen.«
»Aha. Und wann bin ich deiner Ansicht nach wieder
in der Lage, ohne Aufpasser von A nach B zu fahren?«
Freek seufzt tief. »Nun sei doch nicht so sarkastisch, Senta. Ich mache mir eben Sorgen, das ist doch wohl nachvollziehbar, oder?«
Mit hängenden Schultern steht er da und wirkt auf einmal so müde und abgespannt, dass sie ihn spontan in den Arm nimmt. »Es tut mir leid, du hast ja recht. Ich wäre auch besorgt, wenn es um dich ginge. Aber ich kann es, ehrlich gesagt, kaum erwarten, wieder zu arbeiten und mein gewohntes Leben aufzunehmen.«
»Und so zu tun, als wäre nichts gewesen?«
»Ja, das auch. WeiÃt du, ich habe Angst, dass ich mich nicht mehr ans Steuer traue, wenn ich zu lange warte.«
»Eine Woche Ausruhen ist doch wohl nicht zu viel verlangt. Ehrlich, Senta, du musst deinem Körper ein wenig Ruhe gönnen. Was du hinter dir hast, war nicht von Pappe.«
Sie nickt ergeben.
Â
Abends sitzen sie bei Burritos, Nachos und Guacamole zusammen â Sentas Lieblingsessen, und Freek hat sich mächtig ins Zeug gelegt. Ein guter chilenischer Wein rundet das Ganze ab, und ausnahmsweise bekommen Niels und Denise auch ein Glas davon. Jelmer muss mit Cola vorliebnehmen, aber das macht ihm nichts aus.
Als die Achtuhrnachrichten beginnen, wendet Freek sich dem Bildschirm zu. Senta weiÃ, dass er die Nachrichten höchst ungern verpasst, also lässt sie notgedrungen die Schreckensmeldungen aus aller Welt über
sich ergehen, obwohl ihr gerade heute absolut nicht danach ist. Nach ein paar Minuten schweifen ihre Gedanken ab.
»Haben sie diesen Verrückten immer noch nicht?«, sagt Niels. »Das ist doch nicht zu fassen.«
»Der ist bestimmt längst über die Grenze«, meint Freek. »Den finden sie garantiert nicht mehr.«
Abwesend betrachtet Senta das eingeblendete Foto eines Mannes mit kurzen schwarzen Haaren und einem mürrischen Gesichtsausdruck.
»Ein entflohener Häftling«, erklärt Niels. »Er ist bei einem Freigang entkommen und hat einen Mann erschlagen.«
»Grässlich!« Mit halbem Auge verfolgt Senta die Meldung, und als der Wetterbericht
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