Return Man: Roman (German Edition)
alt, doch in vielerlei Hinsicht so verschieden wie Tag und Nacht.
» Bei dem, was du gerade gesagt hast, bin ich froh, dass ich noch nie solche Filme gesehen habe«, erwiderte Marco. » Aber schon gut, ich hab’ verstanden– ich verspreche dir, dass ich in Zukunft mehr Müsliriegel mampfen werde.«
Marco sprach langsamer, als er sah, dass Benjamin den Blick plötzlich vom Bildschirm abwandte. Und dann wurde ihm bewusst, dass tatsächlich etwas nicht stimmte– seine Besorgnis war also begründet gewesen. Es war ihm zuerst gar nicht aufgefallen, doch Benjamins Gesicht wirkte ernster als sonst, und die Fältchen unter den Augen waren tiefer.
Ein untrügliches Anzeichen von Anspannung.
» Alles in Ordnung?«, fragte Marco.
» Ja, Mann.« Doch Marco konnte ihm anhören, dass eben nicht alles in Ordnung war.
» Na gut«, sagte Marco. » Das Guthaben der Roarks ist doch freigegeben worden, oder?«
Diesmal war er sich sicher, dass Benjamin zusammenzuckte. » Ja, da gab es keine Probleme.«
Zu schnell und zu vage. Ben nahm es zwar nicht so genau mit dem Geld– er meldete die Einkünfte nicht, weil weder er noch Marco mit Sicherheit wussten, ob ihre Aktivitäten überhaupt legal waren–, doch so locker nun auch wieder nicht. Marco sah, dass Benjamin sich heftig am Hinterkopf kratzte.
» Und wie ist es in Montana gelaufen?«, fragte Benjamin. » Ich nehme an, dass Roark erledigt ist.«
» Wenn du es so nennen willst«, sagte Marco. » Die Reise war anstrengend. Ich hatte Mühe, ihn überhaupt zu finden– erst beim dritten Versuch hat es geklappt. Es war wie diese alte Weisheit in Bezug auf verlorene Gegenstände: Sie sind immer dort, wo man zuletzt nach ihnen sucht. Obendrein hat es auf dem ganzen Rückweg geregnet, und jetzt bin ich auch noch krank. Fix und fertig. Die Details bekommst du morgen. Und jetzt will ich mich nur noch in ein schönes weiches Bett fallen lassen.«
Er räusperte sich und sah, dass Benjamin nervös zuckte. In Ordnung. Genug Rätselraten. » So hat das keinen Sinn, Ben– würdest du bitte Klartext reden und mir sagen, was überhaupt los ist?«
Benjamin erstarrte mit offenem Mund. Dann seufzte er und sagte: » Scheiße.«
Über den Lautsprecher hörte Marco ein Murmeln. Stimmen.
Leute. Dort bei Benjamin.
Marco legte den Zeigefinger auf den Ausschalter. » Sind ein paar Freunde zum Kaffeetrinken vorbeigekommen?«, fragte er mit einem bitteren Lächeln.
Benjamin hob die Hand. » Entspann dich, Marco«, sagte er. » Kein Grund zur Sorge– ich habe die Sache im Griff. Es sind nur ein paar Leute hier, die sich gern einmal mit dir unterhalten möchten. Mehr nicht. Neue Klienten.«
» Neue Klienten kommen aber nicht zu uns. Du gehst zu ihnen.« Marco schluckte und umklammerte die Seiten der Tastatur. Er schloss die Augen. » Gott verdammt, Ben.«
Benjamin setzte sich gerade hin und sagte trotzig: » Ich habe sie doch nicht eingeladen, um Gottes willen. Sie sind uns– dir– auf die Schliche gekommen. Komm schon, Mann, glaubst du etwa, mir würden solche Hausbesuche gefallen?« Er schüttelte den Kopf und lehnte sich wieder zurück. » Sie sind schon eine ganze Woche hier. Haben sich fast gewaltsam Einlass verschafft. Ich habe ihnen erklärt, wie das läuft… dass ich nicht wüsste, wann zum Teufel du zurückkommst. Also sind sie einfach hiergeblieben– in meinem Haus– und haben auf dich gewartet. Ich hatte keine Wahl.«
Er zeigte mit dem Daumen auf eine Stelle außerhalb des Erfassungsbereichs der Webcam. » Du wirst es schon selbst sehen, wenn du den großen Boss hier kennenlernst. Und weshalb ich sauer wurde, als du endlich angerufen hast.«
Marco versteifte sich. » Such die Schuld dafür jetzt nicht bei anderen, Benjamin.«
» Marco, Mann, du hast es immer noch nicht kapiert.« Benjamins Gesicht vergrößerte sich auf dem Bildschirm. » Ich liebe dich– du bist wie ein Bruder für mich, aber ich habe … keine … Wahl.« Er streckte die Hand nach der Webcam aus und drehte sie. Marco sah auf seinem Bildschirm einen Schwenk durch Benjamins Künstleratelier. Sein Blick fiel auf Wände, die mit farbenfrohen Gemälden im Pollock-Stil behängt waren, auf weiße Leinwände, Staffeleien…
Auf Männer in schwarzer Kampfausrüstung, die mit Gewehren bewaffnet waren.
» Oh«, sagte Marco. Jetzt wurde ihm plötzlich alles klar.
Es wurden neue Regeln aufgestellt.
Der Ballard-Auftrag
3 . 1
Die Abbildung auf Marcos Bildschirm wurde verzerrt, als würde ein Erdbeben übertragen.
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