Return Man: Roman (German Edition)
Erschrocken sprang er vom Stuhl auf und schlug gegen die Webcam, sodass sie zur Decke zeigte. Er hatte keine Ahnung, wer gleich auf seinem Desktop auftauchen würde– aber er wollte es gottverdammt vermeiden, dass sie ihn sahen.
Die Abbildung stabilisierte sich wieder, und auf dem Bildschirm erschienen zwei mit Leberflecken übersäte Hände, die gefaltet auf Benjamins Studiotisch lagen. Sekunden später bewegte die Kamera sich erneut, und jemand richtete ein Licht aus, und nun sah Marco einen Mann Ende fünfzig am Tisch sitzen.
Der Fremde war mit einem blauen Hemd mit weißem Kragen bekleidet– nach Marcos Erfahrung die typische Garderobe eines Arschlochs. Das Haar des Mannes war ebenfalls weiß, halblang und straff zurückgekämmt; die Augen standen zu weit auseinander, und der Mund war zu breit für das vorspringende Kinn. Er hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Piranha. Marco verspürte eine instinktive Abneigung gegen ihn.
» Henry Marco«, sagte der Mann, wobei er jede Silbe und jeden einzelnen Buchstaben präzise artikulierte. Seine Stimme war kühl und weich, fast schon wie eine Frauenstimme. » Sind Sie da?«
Marco erschauerte. Seit Jahren hatte ihn schon niemand mehr mit seinem vollen Namen angeredet– Danielle war die Letzte gewesen. Selbst Benjamin vermied es aufgrund einer stillschweigenden Übereinkunft zwischen ihnen, ihn so anzureden.
» Ja«, antwortete Marco. Er hustete.
Der Mann sah forschend auf seinen Bildschirm. » Sie brauchen sich nicht zu verstecken, Doktor Marco. Falls Sie befürchten, identifiziert zu werden– das ist bereits geschehen. Ich habe gerade über ein Dutzend Fotos von Ihnen in einem Dossier vor mir liegen. Ich habe sogar mehr Bilder von Ihnen als von meiner Frau.«
Marco zögerte. Er war noch nicht bereit, mit ihm zu sprechen. Nicht, bevor er sich einen besseren Überblick über die Lage verschafft hatte. Der Mann kannte offensichtlich seinen Namen und wusste auch sonst genug über ihn, um ihn bis zu Benjamins Atelier zurückzuverfolgen. Hatte ihn sogar Doktor genannt. Aber Marco würde sich nicht durch billige Tricks dazu verleiten lassen, unnötig Informationen preiszugeben. Nicht mehr als das, was der Mann sich selbst schon zusammengereimt hatte.
Als würde er Marcos Gedanken lesen, hielt der weißhaarige Mann ein kleines vergilbtes Foto an einer Ecke hoch. Marco sah sich selbst in einem Smoking. Er erinnerte sich auch an den Anlass. Er war damals als Spendensammler für den amerikanischen Neurologenverband aufgetreten, ein Jahr vor der Auferstehung.
» Sehen Sie, Doktor Marco, Sie sind kein so großes Geheimnis, wie Sie vielleicht glauben«, sagte der Mann. » Ich mache immer meine Hausaufgaben. Sollen wir die Unterlagen einmal abgleichen? Henry Carson Marco, 1976 in Philadelphia geboren, Eltern Albert und Caroline Marco.« Der Mann blickte unverwandt in die Kamera und nannte die Daten anscheinend aus dem Gedächtnis. Falls er sie doch von einem Papier außerhalb des Erfassungsbereichs der Webcam ablas, merkte man ihm das jedenfalls nicht an.
Der Mann fuhr fort. » Im Jahr 2006 haben Sie Ihren Abschluss am Weill Medical College im Fachbereich Neurologie und Naturwissenschaften gemacht und dann als Assistenzarzt im Cedars-Sinai-Krankenhaus in Los Angeles angefangen. 2010 haben Sie dann die Schauspielerin Danielle Pierce geheiratet…«
» Sie können jetzt damit aufhören«, unterbrach Marco ihn. » Ich habe schon verstanden.«
» Ja? Dann zeigen Sie sich, damit wir uns wie höfliche Erwachsene gegenseitig vorstellen können.«
» Ich lasse Ihnen den Vortritt«, sagte Marco. » Ich möchte zunächst nur hören, was Sie zu sagen haben.«
Der Mann zuckte die Achseln. » Wie Sie wünschen. Ich wäre wahrscheinlich sowieso zuerst an der Reihe, weil ich Ihren Namen ja schon kenne. Ich heiße Owen Osbourne und bin Interimsdirektor des Büros für Operative Koordination. Wir…« Er wies mit dem Kopf nach links, dann nach rechts und stellte die anderen Leute im Raum vor. Seine Hände blieben dabei auf dem Tisch gefaltet. » …wir repräsentieren das Ministerium für Heimatschutz.«
Marco hatte aufgehorcht, als der Mann seinen Namen nannte. Er kam ihm nämlich bekannt vor. Owen Osbourne war einer der prominenten Neuen Republikaner gewesen, als die Partei sich gerade etablierte. Ich wusste doch, dass du ein Arschloch bist. » Diese Männer, die Sie bei sich haben«, sagte Marco. » Sind das Polizisten?«
Der Mann schüttelte den Kopf. » Bundesagenten unter
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