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Return Man: Roman (German Edition)

Return Man: Roman (German Edition)

Titel: Return Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.M. Zito
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Kratzen richtete Wus Aufmerksamkeit wieder auf den Pfad. Die Leiche der älteren Frau, die er über die Abbruchkante gestoßen hatte, war wieder aufgestanden und schlurfte durch den Schmutz. Durch den Sturz hatte sie sich beide Beine gebrochen; die Knie waren in einem grotesken Winkel abgespreizt, und spitze Knochen hatten die nässende Haut durchbohrt. Wu sprang auf die andere Seite des gelähmten Soldaten und ging fünf Meter den Pfad entlang.
    » Nein«, stieß der Soldat leise hervor, als die Frau sich auf seine Brust hockte.
    Von dieser Stelle des Pfads hatte er eine spektakuläre Aussicht. Die Amerikaner hatten sich wirklich einen guten Beobachtungsposten ausgesucht– in einer Schneise in den südlichen Ausläufern der Superstitions. Unter ihm erstreckte die Wüste sich wie ein Teppich aus orangefarbenem Erdboden, purpurnen Blumen und stachligen Kakteen bis zum ein paar Kilometer entfernten Gold Canyon. Das Vorgebirge war mit Lehmziegelhäusern gesprenkelt. Wu studierte sie.
    Irgendwo in diesen Hügeln war Henry Marco.
    Hinter Wu stieß der tödlich verwundete Soldat einen Schrei aus– einen schrillen Hilferuf. Die alte Leiche hatte ihm ins Gesicht gebissen und dabei einen großen blutigen Hautlappen von der Nase bis zum Ohr abgerissen.
    Der bewegungsunfähige Soldat schrie erneut, als die Leiche ihm ihre kalten Finger in die Augen bohrte und den freigelegten Wangenknochen abnagte. Ein schreckliches Knirschen ertönte.
    Der Amerikaner würde einen langsamen, qualvollen Tod sterben.
    Wu konzentrierte sich auf die Planung seines nächsten Zuges.
    Als Nächster wäre Henry Marco an der Reihe.

Geschichte einer Begegnung
    5 . 1
    Marco war Danielle zum ersten Mal vor neun Jahren begegnet, als er am Retouren-Schalter von Tech Town angestanden hatte. Es war an einem Samstag im November gewesen, einen Monat nach seinem Geburtstag; und er hatte es endlich einrichten können, das Geschenk zurückzugeben, das seine Mutter ihm geschickt hatte: ein topaktuelles Handy, ein schickes silberfarbenes Gerät mit Touchscreen und gestochen scharfer Grafik. Aber er verspürte absolut kein Verlangen, es zu behalten. Obwohl er wahrscheinlich der letzte Mensch in Kalifornien war, der noch kein Mobiltelefon besaß, vermochte er seine Abneigung gegen diese verdammten Dinger einfach nicht zu überwinden. Fast Food der Kommunikation, dachte er oft verdrießlich. Nichtiges Geschwätz – Leute, die sich laufend anrufen, ohne dass sie sich wirklich etwas zu sagen hätten. Einfach nur, weil sie es können. Um Gottes willen, das Letzte, was er wollte, war ein ausuferndes Sozialleben und schon gar kein mobiles. Also hatte er sich geschworen, sich nie ein Mobiltelefon anzuschaffen, auch wenn die Leute immer komisch reagierten, wenn er ihnen keine Handynummer geben konnte. Sie schnauften verblüfft und machten große Augen. Als wäre er ein bizarrer Sonderling, der sich nicht die Fingernägel schnitt und in Einmachgläser pinkelte.
    » Ich bin täglich sechzehn Stunden im Krankenhaus«, ließ er neue Bekanntschaften wissen und erfreute sich insgeheim an ihrer Irritation. » Wenn ihr mich erreichen wollt, dann müsst ihr euch nur mit einem Aneurysma einliefern lassen.«
    Und doch musste seine Mutter geglaubt haben, das Gerät sei so fantastisch, dass er seine Meinung änderte. Aber er hatte es noch nicht einmal aus der Verpackung genommen. Bei dem Geschenk lag ein Zettel mit der Aufschrift Für meinen Einsiedler und einem aufgemalten Smiley sowie ihrer Telefonnummer darunter.
    Drei Wochen hatte er mit sich gerungen, ob er es doch behalten und die Rufnummer aktivieren lassen sollte, nur um sie glücklich zu machen; auch wenn er nicht vorhatte, es zu benutzen. Aber er war eben stur, und zu allem Überfluss wurde er eines Nachts durch die Vorstellung um den Schlaf gebracht, sich noch eine Telefonnummer merken zu müssen– als ob zusätzliche sieben Ziffern sein Gehirn überlastet hätten. Also hatte er schließlich den Entschluss gefasst, das gottverdammte Ding zurückzugeben. Er würde sich das Geld geben lassen und seiner Mutter davon zu Weihnachten eine schöne Vase mit Poinsettien bestellen.
    Er hatte zwar keine Ahnung, wo sie das Telefon gekauft hatte, doch Tech Town schien ihm eine gute Anlaufstelle zu sein. Zumal er wusste, dass es einige Filialen in der Nähe ihrer Wohnung in Philly gab. Der Markt, der für Marco am nächsten war, befand sich in Glendale. Also absolvierte er an jenem Samstag ein schnelles Training auf der Rudermaschine im

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