Revanche - Exposure
richtig gut. Seit seinem Unfall zwei Jahre zuvor und seiner Rückkehr auf die Insel hatte sich nämlich kaum noch Gelegenheit für einen Flirt geboten. Und er hatte nahezu verdrängt, wie es war, wenn man eine Frau begehrte. Nach Emmas Miene zu urteilen, schien sie seine Empfindungen allerdings nicht zu teilen.
Ein weiterer Blick, und ihm war die Lust auf einen Flirt gründlich vergangen. Er sprang auf, umrundete seinen Schreibtisch und lief zu ihr. »Was haben Sie denn?«, rief er. »Was ist passiert?«
»Gracie ist verschwunden.« Sie stand vor ihm und fixierte ihn eindringlich. Nachdem sie ihre Kleine weder im Café noch irgendwo in der Pension aufgespürt hatte, war sie außer sich vor Sorge. Sie bemühte sich um Fassung, richtete sich mental daran auf, dass Elvis Gracie bestimmt wohlbehalten zu ihr zurückbringen würde. Jetzt, da er wie ein Fels in der Brandung vor ihr stand, füllten sich ihr Augen mit Tränen, ihre Unterlippe bebte unkontrolliert.
Gracie war verschwunden? Elvis’ Eingeweide krampften sich schmerzhaft zusammen. Er beobachtete, wie Emma ihre Unterlippe in den Mund zog und heftig darauf herumkaute, wie um ihre Nervosität in den Griff zu bekommen. »Sie ist -«
»Einfach weg. Großer Gott, Elvis, ich hab überall in der Pension nach ihr gesucht, das ganze Café auf den Kopf gestellt und sie nirgends finden können.« Mit beiden
Händen umklammerte sie seinen Oberarm, ihre Finger gruben sich in die warme Haut über der kühlen Prothese. Tränen rollten über ihre Wangen, während sie an ihm zerrte. » Bitte «, beschwor sie ihn. »Sie müssen sie für mich finden.«
»Mach ich.« Er löste sich aus ihrer Umklammerung, fasste sie am Ellbogen und wollte sie in Richtung Schreibtisch schieben. »Verlassen Sie sich darauf, Emma. Kommen Sie, setzen Sie sich kurz. Ich brauche ein paar Infos.«
Ungeachtet dessen riss sie sich los und starrte ihn entgeistert an. »Sparen Sie sich Ihren Papierkram«, schnaubte sie erbittert. Schlotternd vor Angst schlang sie hilflos die Arme um ihren Körper. »Verdammt noch mal, Sheriff, mein Kind ist verschwunden , kapieren Sie das nicht?!« Sie wurde zunehmend hysterischer, ihre Stimme überschlug sich fast. »Ich hab keine Zeit, hier großartig Formulare auszufüllen und Kreuzchen zu machen; ich brauche jemanden, der mir hilft, die Kleine zu suchen .«
Grundgütiger, es tat so weh. »Emma, bitte beruhigen Sie sich.« Er zog die aufgelöste Frau in seine Arme, und als sie sich sträubte, hielt er sie kurzerhand fest. Mit seiner gesunden Hand streichelte er über ihre Haare, beugte sich dicht an ihr Ohr. »Kommen Sie, Emma, Kopf hoch. Sie müssen keine Formulare ausfüllen. Ich brauche lediglich ein paar Informationen, um Anhaltspunkte zu haben. Dann finde ich Gracie für Sie. Ganz bestimmt.«
Sie zitterte wie Espenlaub in seinen Armen, doch ließ die Hysterie allmählich nach. Seine Zuversichtlichkeit war tröstlich, der schwach männliche Duft, der seiner frischen Kleidung entströmte, beruhigend. Schließlich atmete sie tief durch und nickte an seiner Brust. »Okay«,
murmelte sie schwach. » Oui. In Ordnung.« Sie bog den Kopf zurück und sah ihn resigniert an. »Es tut mir leid, dass ich ausgerastet bin, Elvis.«
»Ach, Unsinn.« Behutsam wischte er ihr die Tränen von den Wangen. Er musterte sie ernst und setzte entschieden hinzu: »Das muss Ihnen nicht leidtun. Ihr kleines Mädchen ist verschwunden. Daher ist Ihre Angst vollkommen verständlich. Aber wir werden sie finden, Em. Ich verspreche Ihnen, ich werde nichts unversucht lassen, Gracie zu finden.« Tot oder lebendig , setzte sein berufliches Alter Ego im Stillen hinzu.
Ihre großen, braunen Augen versanken in den seinen. Einen Moment lang schaute sie ihn forschend an, dann schluckte sie und nickte. »O Dieu , Sie sind ein Schatz«, gestand sie ihm flüsternd.
Elvis’ Herzschlag trommelte gegen seine Rippen, obwohl er sich ganz sicher war, dass sie das nur so dahergesagt hatte. Bestimmt reagierte sie lediglich spontan auf sein Versprechen, das Kind gesund und wohlbehalten zu ihr zurückzubringen. Unwillkürlich drückte er sie mit seinem gesunden Arm an sich, ließ sie jedoch direkt wieder los und trat einen Schritt zurück. »Kommen Sie, setzen Sie sich«, meinte er schroff. »Schildern Sie mir exakt, seit wann Sie Gracie vermissen.« Er führte sie zu seinem Schreibtisch und rückte ihr einen Stuhl zurecht.
»Sandy«, wies er seine Mitarbeiterin an, die das kurze Drama interessiert verfolgt
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