Revanche - Exposure
zur Strecke«, setzte er hart hinzu.
In dem Bewusstsein, dass dies ein unsachlicher Kommentar aus dem Munde eines Polizeibeamten war, nahm er Haltung an und gab sich professionell dienstlich. »Wie auch immer«, meinte er ohne Umschweife, »meine Miete ist bis zum Monatsende bezahlt. Kraft meines Amtes fordere ich Sie hiermit auf, meinen neuen Aufenthaltsort nicht publik werden zu lassen. Je weniger Leute wissen, dass ich ausgezogen bin, desto besser für Emma und Gracie.«
»Ich halte mich strikt an Ihre Anweisungen, Elvis. Da wäre nur noch eins … kann ich die beiden irgendwann mal besuchen?«
»Wann immer Sie wollen.« Sie schien so bestürzt über Emmas Auszug, dass er über den Tisch griff und ihr die Hand tätschelte. »Deshalb hab ich Ihnen ja verraten, wo die beiden sind, Ruby. Seien Sie nur vorsichtig, dass Ihnen niemand folgt, okay?« Über sein Gesicht glitt ein anerkennendes Grinsen. »Aber da sehe ich kein Problem. Ihr logistisches Talent haben Sie ja schon an dem Abend bewiesen, als Sie mit Emma im Anchor waren. Alle Achtung. Darum hätten Sie etliche Polizisten beneidet.«
Kurz darauf machte er sich auf den Rückweg zu seinem Zimmer. Auf der Treppe versuchte er das erhebende Gefühl in seinem Solarplexus zu ignorieren. Ruby hatte nämlich ihre Hand auf seine gelegt und ihm zugeraunt: »Hand aufs Herz, Sheriff, Sie sagen noch lange nicht alles, was Sie wissen, stimmt’s? Im Übrigen sind Sie ein sehr netter Mann.« Darauf hatte sie kurz seine Finger gedrückt. Eigentlich keine große Sache. Zudem hatte Ruby ihn nie geschnitten wie viele der Inselbewohner, sondern ihn immer höflich behandelt. Allerdings hatte er schon früh ein Gespür für die Zwischentöne entwickelt und wusste, dass sie ihn nie besonders gemocht hatte.
Und trotzdem … es tat gut zu wissen, dass sie ihre Meinung inzwischen geändert hatte.
Als er sein Zimmer betrat, wurde ihm jedoch schlagartig klar, dass er nichts geregelt bekommen würde, solange Gracie bei ihm herumwuselte. Bei der ersten Gelegenheit zog er Clare beiseite.
»Kannst du sie für eine Weile mit zu euch ins Geschäft nehmen?«, bat er. »Bitte, ich beeil mich auch.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen.« Sie tätschelte ihm beschwichtigend den Arm. »Lass dir ruhig Zeit. Wenn du gegen Mittag noch nicht wieder da bist, füttere ich sie mit irgendwas Leckerem ab, worauf sie Heißhunger hat. Aber dafür musst du mir auch verraten, was hier gespielt wird, Elvis.«
»Mmmh, Clare, versprochen. Sobald ich den Rücken frei habe.« Er fixierte sie eindringlich. Merkwürdig, sie strahlte wie schon lange nicht mehr. »Du siehst irgendwie anders aus«, murmelte er mit schief gelegtem Kopf. »Hast du eine neue Frisur oder so? Nein, warte, du hast abgenommen, richtig?«
Statt einer Antwort lachte Clare nur. Sie lief zu Gracie, die in einem malerischen Chaos von Sandspielsachen, Büchern, Kreide und Buntstiften hockte, und versuchte, die Kleine von dort wegzulocken.
Nachdem die beiden gegangen waren, starrte Elvis abwesend auf die am Boden verstreuten Habseligkeiten. Emma hatte die Sachen wohl am Morgen in sein Zimmer geschleppt, damit Gracie die vertraute Umgebung nicht vermisste. Mit einer Fingerkuppe fuhr er über seine Fensterbank. Sand. Massenhaft Sand. Und jede Menge Stifte. Grinsend nahm er einen Karton und füllte ihn mit ihren Kreiden.
Sein skeptischer Blick inspizierte das Zimmer. Da er ihren neuen Wohnsitz möglichst geheim halten wollte, verwarf er schleunigst den Gedanken, Emmas und sein eigenes Gepäck bei Tageslicht in ihren jeweiligen Autos zu verstauen. Er packte alles zusammen, transportierte aber nur einige wenige unverzichtbare Dinge zum Jeep, breitete eine Decke darüber. Danach ging er bei Emma vorbei und wies sie an, dasselbe zu tun. Sie war so gut wie
fertig mit dem Packen. Er informierte sie, dass ihre Tochter gut aufgehoben sei und dass sie die Kleine gemeinsam abholen würden. Nachher ging er ins Café, um sich einen Becher Kaffee zu kaufen. Damit überquerte er den Platz, wo er sich mit zwei Beamten traf und das weitere Vorgehen diskutierte.
Um kurz nach eins betrat er gemeinsam mit Emma Mackey’s General Store. Gracie thronte auf einem Barhocker - erhöht um einen Stapel Telefonbücher - an der Theke. Damit sie sich ihre Kleidung nicht schmutzig machte, hatte man ihr wohlweislich ein Geschirrtuch um den Hals gebunden, das großflächig mit Senf und Mixed Pickles bekleckert war. Von dem Hotdog, den sie eben verputzte. Sie stopfte sich den
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