Revanche - Exposure
findet uns bestimmt keiner.« Er gab ihr noch einen wilden, ungezähmten Kuss, ehe er herumschnellte und geschmeidig wie eine Katze zu dem Koffer glitt, den er kurz zuvor an die Wand gefeuert hatte. Er befreite
ihn von winzigen Glassplittern und wuchtete ihn auf das Bett. »Wie lange brauchst du dafür?«
»Wir müssen umziehen?«
»Meinst du, ich hätte nicht registriert, dass Gracie in großer Gefahr schwebt, hm? Ganz offensichtlich seid ihr beide hier nicht mehr sicher.«
Emma machte den Mund auf, um etwas zu erwidern, und klappte ihn wieder zu. Öffnete und schloss ihn erneut, vollkommen sprachlos. Stattdessen brach sie in Tränen aus.
»Heeey.« Elvis zog sie in seine Arme und streichelte ihr beschwichtigend über den Rücken, strich ihr mit dem Kinn die Haare aus der Schläfe. »He, nicht weinen. Es wird alles gut, Em, versprochen. Ich will bestimmt nicht, dass du dich von allen Leuten isolieren sollst. Sam und Clare können ruhig wissen, wo wir sind. Ruby natürlich auch, wenn du das möchtest. Okay? Ansonsten sollte keiner etwas wissen …«
Sie schluchzte haltlos.
»O Em, Schätzchen, nicht weinen.«
An seine Brust geschmiegt, heulte sie wie ein Schlosshund. Grundgütiger, sie war nicht mehr allein - erst ganz allmählich sickerte das in ihr Bewusstsein. Noch vor kurzem hatte es sie physische und psychische Anstrengung gekostet, sich immer wieder aufzurappeln. Aber jetzt war Elvis für sie da und würde ihr helfen, auf Gracie aufzupassen. Nicht nur in seiner Funktion als Sheriff, nein, er war der Mann, der sie und Grace Melina liebte und beschützte. Die Erkenntnis nahm ihr eine ungeheure Last von den schmalen Schultern. »Ich liebe dich, Cher «, schluchzte sie tief erleichtert, ihr Gesicht in seinem Hemdstoff vergraben. »Ich liebe dich wahnsinnig.«
»Das seh ich«, meinte er trocken. »Du strahlst echt vor Glück.«
Daraufhin entfuhr ihr ein verhaltenes Lachen. Wenig elegant wischte sie sich mit dem Handrücken die Nase. Hin und her gerissen zwischen ihren Empfindungen, spähte sie zu ihm hoch. »Ich bin glücklich, Elvis, superglücklich. Es ist nur« - sie rieb sich mit den Fingerkuppen die Tränen fort - »du hast doch sicher schon Interviews mit Geiseln gelesen? Die schlimmste Bedingungen überstehen und dann bei ihrer Freilassung plötzlich kollabieren? So ähnlich geht es mir jetzt, wo du Gracie von hier an einen sicheren Ort bringen willst. Das muss ich mental erst verarbeiten.«
Elvis schüttelte den Kopf. »Du bist und bleibst mir ein Rätsel, Emma«, seufzte er. Widerstrebend ließ er sie los, trat einen Schritt zurück und betrachtete sie zärtlich. »Hör mal, ist es okay, wenn ich dich allein lasse, während du alles zusammenpackst? Ich bin bald zurück.«
»Ja, natürlich.«
»Gut. Ich informier Ruby noch schnell, dass wir beide ausziehen.«
»O Schreck, Elvis. Daran hab ich gar nicht gedacht.« Emmas schön geschwungene Brauen zogen sich skeptisch zusammen. »Jetzt ist sie bestimmt sauer auf uns.«
»Du und Gracie, ihr seid Ruby inzwischen ans Herz gewachsen«, erwiderte er wie selbstverständlich. »Sie wird es akzeptieren.« Das hoffte er zumindest.
Ruby zeigte volles Verständnis. Kaum dass er das Café betreten hatte, zerrte sie ihn an Tisch sieben. »Ich hab gehört, was letzte Nacht passiert ist«, sagte sie mit gedämpfter Stimme. »Ist mit Gracie wirklich alles in Ordnung?«
»Ja. Ihre Stirn ist mit drei Stichen genäht worden …«
Ruby stöhnte auf.
»… aber sonst geht es ihr prächtig. Heute Morgen war sie schon wieder topfit. Im Übrigen muss ich über den gestrigen Vorfall mit Ihnen sprechen.« Er wartete, bis er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. »Ich muss mein Zimmer aufgeben, Ruby, und Emma ebenfalls. Wir drei ziehen in das alte Rutherford-Haus draußen auf der Higgins Road.« Er musterte sie ernst. »Aber hängen Sie das ja nicht an die große Glocke«, warnte er. »Sie, die Mackeys, Sandy und meine Beamten sind die Einzigen, die wissen, wo Emma jetzt wohnt. Sie müssen entschuldigen, dass ich Sie so kurzfristig informiere.«
Sicher war es ihrer Freundschaft mit Emma zuzuschreiben, überlegte er, dass sie es kommentarlos hinnahm, auf einen Schlag zwei Mieter zu verlieren. »Machen Sie sich deswegen keine Gedanken, Elvis. Ich bin ehrlich gesagt froh, wenn ich die beiden in Sicherheit weiß.«
»Und ich werde nicht eher ruhen, bis die Sache aufgeklärt ist«, bekräftigte er. »Das können Sie mir glauben. Und dann bringe ich die Verantwortlichen
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