Revelations
Waffe aus dem Holster, entsicherte sie und zielte auf Faith.
»Stehenbleiben!«, befahl sie aufgebracht. Die pure Vorstellung, dass ihr eigener Bruder mit den Sicarii zusammenarbeitete, machte sie stinkwütend. »Keinen Schritt weiter!«
Caiden drehte verwundert den Kopf herum, setzte Faith auf dem Boden ab und ging mit mürrisch erhobenen Händen auf seine Schwester zu.
»Was soll das werden, Cass?«, fragte er grantig. »Willst du uns etwa beide erschießen?«
»Sie ... sie war es, nicht wahr?«, erwiderte sie mit zornigem Blick und wich dabei nicht einen Zentimeter zurück. »Seit wann weißt du es? Gehörst du auch zu denen?«
»Es ist nicht so, wie du denkst«, versuchte Caiden zu erklären.
»Wir gehen jetzt zu Angel!«, entschied Cassidy, ohne ihm wirklich zuzuhören. »Sie wird die Wahrheit schon aus ihr rauskriegen!«
»Wenn Angel davon erfährt, wird sie uns beide umbringen. Da kannst du uns auch gleich hier erschießen!«
Faith war inzwischen aufgestanden, hatte sich aber bisher zurückgehalten. Nun ging sie unbeeindruckt auf Cassidy zu und stellte sich zwischen sie und ihren Bruder, bis sie den kalten Stahl der Pistole auf ihrer verschwitzten Brust spürte.
»Ja, ich habe Victor getötet«, sprach sie mit ausdrucksloser Stimme, als würde sie von alltäglichen Banalitäten berichten. »Ich habe außerdem die Haut deines Bruders gerettet. Drei Mal, bis jetzt. Auch Kim verdankt mir zwei Mal ihr Leben, ebenso wie du, dein Freund Jesse und jeder andere aus Brackwood. Ganz zu schweigen von dem gesamten Flüchtlingskonvoi, denn ich habe die Palisade gesprengt und euch die Flucht ermöglicht.«
Cassidys Hände begannen unter den funkelnden Augen der eiskalten Assassine dermaßen zu zittern, dass ihr sogar der alte Paul gefahrlos die Pistole hätte abnehmen können. Doch Faith war noch nicht fertig.
»Zum Dank haben mich meine eigenen Leute gefoltert und so sehr mit Drogen vollgepumpt, dass mir die Erinnerungen an drei Tage und Nächte fehlen. Wenn du mich also für meine Missetaten tot sehen willst, dann mach es gefälligst selbst!«
Mit diesen zischenden Worten presste sie sich gegen die entsicherte Waffe und starrte Cassidy herausfordernd in die Augen. Überlegen zog sie die Mundwinkel hoch und neigte den Kopf nach rechts, als das Mädchen die Pistole senkte.
»Du musst noch viel lernen«, fügte sie süffisant hinzu. Augenrollend setzte Caiden mit ihr den Weg ins Kloster fort und ließ seine Schwester fassungslos zurück.
***
Eine Stunde später traf Cassidy nach einem gedankenversunkenen Umweg im Lager ein und sah, wie sich der gutaussehende Krankenpfleger Marcus gerade darum bemühte, Faith zu einer Untersuchung ihrer Schulter zu überreden. Cassidys heimlicher Schwarm erwies sich dabei als etwas zu hartnäckig, bis Faith ihn mit einem Würgegriff an die Kirchenruine nagelte und so davon überzeugte, dass sie keine ernsthaften Verletzungen davongetragen hatte. Im ersten Augenblick griff Cassidy instinktiv nach ihrer Pistole und vermutete einen bevorstehenden Angriff, bis sie verstand, dass Faith lediglich ihre Vulturekarte ausspielte.
Sie hatte den ganzen Weg entlang darüber sinniert, ob sie Angel von ihrer Entdeckung berichten sollte. Das wäre mit Sicherheit das Todesurteil für Faith. Selbst wenn die für ihren Pragmatismus bekannte Kommandeurin sie für ihre persönlichen Zwecke am Leben lassen würde, könnte wohl niemand Butch von seiner Rache abhalten. An Dogs Wutausbruch wollte sie gar nicht erst denken. Sie wusste aber auch, dass gerade Angel ihre Eigenschaft schätzte, sich zunächst alle Fakten anzuhören, bevor sie eine Entscheidung traf. Außerdem fürchtete sie um ihren eigenen Ruf, sollte herauskommen, dass ihr Bruder mit dem Feind kollaborierte.
Als sich die Flüchtlinge und Ranger zum Abendmahl versammelten und die ausgelassene Stimmung ihren lautstarken Höhepunkt erreichte, entschloss sich Cassidy, die beiden zur Rede zu stellen, ehe sie ihr Schicksal mit einer überstürzten Beichte besiegelte. Wie jeden Abend hatte sich Caiden mit seiner Freundin in eine windgeschützte Mauerecke im Schatten der Konventhausruine zurückgezogen. Faith rieb stöhnend an ihrer linken Schulter und fluchte leise über den unüberlegten Wutausbruch, aufgrund dessen sich die Schmerzen noch weiter verstärkt hatten. Nicht einmal während der kalten Nächte teilte sich das Paar eine Decke, was Cassidy argwöhnisch werden ließ, denn es machte nicht gerade den Anschein einer glücklichen
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