Revolution - Erzählungen
bösen Geister nicht schaden können. In einem der Beutel liegt ein kleines Stück der Nabelschnur. Es soll ihr ewige Kraft und Stärke geben und sicherstellen, dass sie nicht stirbt. Ich pudere das kleine Mädchen mit Johnsons Kinderpuder, lege ein kanga um und nehme sie an die Brust. Halima saugt gierig. Sie eng an mich zu drücken – das ist das schönste Gefühl.
Eine Weile ist alles gut, obwohl Faizal zu viel trinkt. Ich weiß, wie man mit Kindern umgeht, weil ich mich um meine kleinen Stiefgeschwister zu kümmern hatte. Doch dann bekommt Halima Bauchschmerzen, und wir haben so gut wie kein Geld für den Arzt. Ich möchte mein heimlich Erspartes am liebsten nicht antasten, denn damit will ich den Englischunterricht bezahlen.
Ich sage zu Faizal: »Ist doch klar, dass wir kein Geld haben, wenn du ständig in der Stadt isst, obwohl ich dir gutes Essen koche. Das ist falsch.«
PAH . Er schlägt mich – direkt ins Gesicht.
»Du hast mir eine Falle gestellt«, behauptet er. »Wie kann ich wissen, dass es mein Kind ist, bei all den Männern, die dich in Majengo gepumpt haben?«
Er ist der einzige Mann, mit dem ich je zusammen war – er hat beim ersten Mal, als wir schlimm waren, selbst das Blut gesehen. Aber jetzt verändert er sich völlig. Er trinkt viel Bier und kommt spät nach Hause, er gibt mir zu wenig Geld fürs Essen, und er schlägt mich noch einmal. Ich habe blaue Flecken im Gesicht. Sie zeichnen sich deutlich unter der Haut ab, da ich durch mein arabisches Blut ziemlich hellhäutig bin. Ich muss im Zimmer bleiben, sonst können alle sehen, wie es bei uns zugeht. Bald beginnt der Englischkurs im KNCU wieder, und ich sage zu Faizal, dass ich sehr gern lernen würde.
»Du bist meine Frau. Ich versorge dich – du brauchst kein Englisch.«
»Aber es ist gut, wenn ich etwas lerne. Dann kann ich später mal in einem Geschäft arbeiten und Geld für die Familie verdienen.«
»Rachel, du kannst ja nicht mal besonders gut rechnen.«
»Ich kann gut rechnen. Zum Beispiel kann ich mir ausrechnen, dass du nicht reich bist, denn alle Maschinen im Moshi Hotel gehören einem anderen Mann. Du bist nur angestellt, um sie zu bedienen!«
»Sei still!«, brüllt Faizal und schlägt mich wieder. Hart. Mir treten Tränen in die Augen. Er schlägt oft zu. Aber er hat die Folgen der blauen Flecken auf meiner Haut begriffen: Wenn ich blaue Flecken habe, kann ich nicht einkaufen gehen, also schlägt er jetzt auf den Körper.
»Das kannst du mir nicht antun!«, heule ich.
»Ich bin der Mann. Und ich kann tun, was ich will!«, schreit Faizal. »Willst du lieber eine malaya für wabwana wakubwa werden wie deine Freundin Salama?«
Ich antworte nicht. Zu wem soll ich gehen? Die Tante findet mich bereits schlecht, weil ich schlimm gewesen bin. Und jetzt bin ich keine gute Ehefrau. Ich habe nicht gelernt, was man tun kann, wenn gar nichts wirkt. Halima ist dreieinhalb Monate alt, und heute ist mein achtzehnter Geburtstag, aber Faizal hat alles vergessen. Er kommt spätabends betrunken nach Hause und schnarcht.
Am nächsten Morgen nehme ich mir Geld aus Faizals Tasche, als er noch schläft. Ich gehe zur Busstation und breche mit der kleinen Halima nach Galambo auf.
22.
Viele Stunden später steige ich an der Kreuzung der Hauptstraße aus dem Bus und warte, bis ein matatu nach Galambo fährt. Einige Leute im Bus wissen, wer mein Vater ist. Sie haben gehört, dass ich geheiratet habe.
»Ich komme nach Hause, damit er sein Enkelkind sehen kann«, sage ich. Und sie glauben mir, denn meine Kleider sehen im Vergleich zu denen der Dorfbevölkerung reich aus. Ich habe das Geld, mit dem Bus von Moshi hierherzureisen, nur um ihm das Kind zu zeigen.
Meinen Vater habe ich zum letzten Mal auf der Beerdigung von Edward in Arusha gesehen – vor zwei Jahren. Ich habe Angst vor seiner Reaktion.
Die Landschaft ist mir vertraut, ich denke an die Hütte meines Vaters: Pfähle und Lehm, der Boden aus Erde und ein Blechdach, das aus Zwanzigliter-Speiseölbehältern hergestellt wurde – aufgeschnitten, glattgeklopft und wie Ziegel übereinandergeschichtet. In der Regenzeit ist es sehr laut. Das Wasser wird aus einem gemeinsamen Brunnen geholt, den die Behörden mit Unterstützung aus Europa haben graben lassen. Die Toilette ist ein Schuppen hinter der Hütte, der auf einem gegossenen Zementboden steht, mit einem Loch in der Erde. Seit ich blute, bin ich auch dorthin gegangen, wenn ich mit einem Eimer Wasser ein Bad nehmen wollte, denn im
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