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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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Schuppen war ich keinen neugierigen Blicken ausgesetzt.
    Wir hatten fünf Ziegen und drei Kühe, die ich morgens mit meiner Stiefmutter gemolken habe. Die Milch trank die Familie, um bei Kräften zu bleiben. Wir hatten auch drei Katzen, die die Ratten töten sollten, die unser Maislager auffressen wollten.
    Als ich dreizehn war, habe ich nach der Schule im Haus und auf dem Feld geholfen. Ich musste die Kinder hüten, saubermachen, waschen und kochen, Wasser holen und Brennholz sammeln, weil Holzkohle teuer ist. Und ich musste weit laufen, um Brennholz zu sammeln, denn das Dorf ist groß und alle brauchten Brennholz. Außerdem musste ich Gräser, trockene Maisstängel und Blätter pflücken und auf dem Kopf nach Hause tragen, damit die Kühe etwas zu fressen bekamen.
    Von der Bushaltestelle gehe ich zu der Hütte, die von Bananenpflanzen, Kokospalmen und einem einzelnen Mangobaum umgeben ist. Als mein Vater die Tür öffnet, treten mir Tränen in die Augen. Die zwei Jahre haben neue Furchen in sein Gesicht gegraben.
    »Hat er dich rausgeschmissen?«, ist Vaters erste Frage.
    »Nein, er hat mich geschlagen, und ich bin geflohen.« PAH – Vater versetzt mir eine Ohrfeige, aber nur eine.
    »Ich schlage dich nicht hart, weil du jetzt eine erwachsene Frau bist. Aber am liebsten würde ich dich windelweich prügeln. Du bist eine schlechte Tochter!«
    »Was hätte ich denn machen sollen?«
    »Wenn du nicht aufpassen kannst, dann ist die Strafe, dass du wie ein dummes Mädchen leben musst – mit einer Menge Probleme. Dein Mann schlägt dich ein bisschen, und schon läufst du davon. Und wer bezahlt jetzt dein Essen?«
    »Ich werde schon zurechtkommen, ich kann arbeiten.«
    »Und wer soll sich um deine kleine Tochter kümmern?«, fragt meine Stiefmutter in der Hütte. Darauf antworte ich nicht. Sie weiß es genau – sie und ihre beiden kleinen Töchter sollen es machen, genau wie ich auf sie aufgepasst habe, als sie kleiner waren.
    »Es ist teuer, ein kleines Kind zu haben«, sagt sie. »Man braucht besonderes Essen, Medizin, Kleider, viele Dinge.«
    »Ich werde das Geld verdienen«, erkläre ich. Schweigend nehmen wir die große Mahlzeit des Tages zu uns. Maisbrei und Bohnensoße. Ich räume mit den kleinen Mädchen ab.
    »Morgen kommst du mit aufs Feld«, sagt mein Vater zu mir. Er geht jemanden besuchen. Ich kümmere mich um Halima. Meine Stiefmutter versorgt die Mädchen und spricht nicht mit mir. Kurz darauf kommt mein Vater zurück, und wir alle gehen schlafen.
    Mein Vater und meine Stiefmutter schlafen in schmalen Hängematten. Ich liege mit Halima und meinen Stiefschwestern auf dem Boden. Mein Vater hat nur mich als eigenes Kind. In meine Stiefmutter lassen sich keine Kinder mehr pflanzen, sie ist zu alt. Er hat ihre Kinder aus erster Ehe angenommen. Doch nachdem Edward tot ist, steht Vater vor der größten Katastrophe seine Lebens: Er wird alt und hat nur Töchter.
    Die beiden Mädchen und Halima schlafen sofort ein, aber ich kann nicht schlafen; die Geräusche der Nacht sind hier sehr viel lauter als in Majengo. Mein halbleerer Magen rumpelt, und die Moskitos summen dicht um mich herum. Ich habe Angst, dass Halima Malaria bekommen könnte – hier an der Küste gibt es eine gefährlichere Variante, und bisweilen richten Medikamente überhaupt nichts dagegen aus. Mein Vater grunzt im Schlaf, meine Stiefmutter atmet gleichmäßig. Durch die dünnen Wände spüre ich den Wind. Es klingt wie Geister, die sich zwischen den Hütten jagen.
    23.
    Halimas Wimmern weckt mich. Durch die Fensteröffnung dringt ein Streifen graues Licht in die Hütte. Ich ziehe meine kanga um mich und stehe auf, gehe nach draußen und gebe Halima die Brust. Die Luft ist frisch, die Sonne hängt noch tief über dem Horizont und spendet ein mildes Licht. Bald wird sie brennen. Meine Stiefschwestern stehen auf. Ich lege einer von ihnen Halima in die Arme und laufe zur Toilette. Der Gestank ist unglaublich, die Fliegen umschwirren mich, landen auf meinem Gesicht, auf den Augen, am Mund. Ich verscheuche sie mit der Hand. Auch meine Stiefmutter ist jetzt aufgestanden. Sie reicht mir mit einem kurzen Nicken den Eimer, ich soll Wasser holen. Ich schaue auf Halima.
    »Deine Schwestern werden auf sie aufpassen«, sagt meine Stiefmutter. Rasch esse ich zwei kleine Bananen und laufe los, begegne anderen Mädchen und Frauen, die auch auf dem Weg zum Brunnen sind. Wir wünschen uns einen guten Morgen. Der Weg ist beschwerlich und voller Löcher, das Gras

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