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Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Revolverherz: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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in meine Richtung, ohne mich noch mal anzusehen.
    »Aber …«, sage ich.
    »Geh endlich!«
    Das war keine Aufforderung mehr, das war eine Drohung. Ich sollte wohl wirklich gehen.
    Als ich im Taxi sitze, haue ich mir links und rechts eine runter, um wieder zur Besinnung zu kommen.

    Auf den Stufen zur Pathologie ist alles wieder wie immer: Mir steigt ein Schwall vom Desinfektionsmittel in die Nase, die Kälte, die dort unten herrscht, winkt schon von weitem, und als ich sehe, dass der Faller und der Doc nicht allein sind, ist mein Herz da, wo es gerne mal ist: in der Hose.
    Der Faller redet mit einer Frau in einem eleganten cremefarbenen Übergangsmantel, die zusammengesunken auf einem Stuhl neben dem Waschbecken sitzt. Der Doc steht hölzern vor der Pritsche mit der Toten, neben ihm ein Mann, der die Hände vors Gesicht geschlagen hat. Die beiden sehen aus wie zwei Leute, denen gerade alles genommen wurde. Angehörige. Angehörige sind noch schlimmer als Leichen. Angehörige sind noch mittendrin im Leid. Hilfe.
    Betty Kirschtein ist nicht da. Der Faller sieht mich, legt der Frau kurz die Hand auf die Schulter und kommt zu mir rüber.
    »Die Eltern?«, frage ich.
    »Haben das Mädchen eben identifiziert«, sagt er. »Sie war gerade neunzehn geworden und hätte in diesem Jahr ihr Abitur gemacht.«
    »Und hat in einem schäbigen Stripschuppen getanzt?«
    »Die Eltern wissen von nichts«, sagt er.
    »Wie war ihr Name?«, frage ich.
    »Henriette Auer«, flüstert der Faller, aber die Mutter hört den Namen ihrer Tochter trotzdem und wirft mir einen Blick zu, der mir alle Schuld gibt.
    »Machen Sie das mit den Eltern, Faller?« Ich kann so was heute nicht.
    Der Faller nickt.
    »Weiß der Doc schon was?«, frage ich.
    »Er hat die Medikamente in ihrem Blut noch nicht analysiert, aber er geht davon aus, dass es das gleiche Zeug ist, das wir bei Margarete Sinkewicz gefunden haben.«
    »Und sonst?«, frage ich.
    »Gleiches Spiel wie beim ersten Mal«, sagt er. »Sie wurde mit einem Kabelbinder erwürgt, ohne dass sie sich gewehrt hat, danach wurde sie ausgezogen, skalpiert und an die Elbe gebracht. Das Ganze ist zwischen ein Uhr und drei Uhr morgens passiert.«
    »Er wird noch mehr Frauen umbringen, richtig?«
    Der Faller beißt sich auf die Lippen.
    Die Mutter des Mädchens starrt mich immer noch an. Schlecht auszuhalten, so ein Blick.
    »Morgen Mittag will ich die SoKo in der Staatsanwaltschaft sehen«, sage ich, »kümmern Sie sich darum?«
    Der Faller nickt.
    »Und lassen Sie den Brückner und den Schulle beizeiten mit Henriettes Freundinnen reden, die wissen sicher mehr über ihr Leben als ihre Eltern. Ich rede mit der Presse und versuche, die dazu zu bringen, dass sie bis Montag die Schnauze halten.«
    »Wenn wir nicht bald was Konkretes haben, wird’s haarig«, sagt der Faller.
    »Hat die Spurensicherung Fotos von dem Mädchen gemacht?«, frage ich.
    »Klar, Chef«, sagt er. »Und Sie standen genau daneben.«
    »Oh«, sage ich, »ich war wohl ein bisschen tüdelig heute Morgen.«
    Der Faller sieht mich an, als würde er mir gleich die Wange streicheln wollen. Er scheint zu bemerken, dass ich es gerade schwer habe. Ich versuche, mein Gesicht in den Griff zu bekommen.
    »Ich geh dann später mit einem Bild von Henriette in den Tanzschuppen, in dem Margarete gearbeitet hat. Vielleicht krieg ich da ja was raus.«
    »Soll ich mitkommen?«, fragt der Faller.
    »Wollen Sie mitkommen?«
    »Von wollen kann keine Rede sein«, sagt er, »aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass Sie heute nicht alleine gehen sollten, auch wenn Sie das immer so gern tun.«
    »Sie müssen nicht auf den Kiez, wenn Sie nicht wollen, Faller. Ich nehme den Calabretta mit, wenn Ihnen dann wohler ist.«
    »Hat Ihr Freund Klatsche keine Zeit mehr für Sie?«, fragt er und sieht mich ein bisschen spöttisch an. Was soll das denn jetzt?
    »Was soll das denn jetzt?«
    Er nimmt meine Hand in beide Hände und drückt sie und sagt: »Wir sehen uns morgen Mittag in Ihrem Büro, ja?«
    Ich nicke und lächle, und er geht wieder zur Mutter der Toten und nimmt auch ihre Hand und streichelt ihr den Kopf, und ich bin ihm wahnsinnig dankbar dafür und bemühe mich, den letzten Rest Erinnerung an den Jungen von den Landungsbrücken aus meinem Kopf zu kriegen.

    Es geht doch nichts über ein gutes Verhältnis zur Presse. Der Patschinski und seine Kollegen von den anderen Polizeiredaktionen haben versprochen, bis Montag nichts über die zweite Tote zu bringen, wenn sie

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