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Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit

Titel: Reynolds, Alastair - Träume von Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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sie vor Tagesanbruch. Sie war in heller Aufregung.
    »Diesmal bin ich diejenige mit den großen Neuigkeiten«, sagte sie.
    »Nämlich?«
    »Komm und sieh es dir selbst an.«
    Unausgeschlafen und mürrisch stieg Naqi aus ihrer Hängematte. Im schwachen Licht der Kabine leuchtete Minas Pilzflechte besonders intensiv: abstrakte, körperlose Formen, die ihre Anwesenheit nur erahnen ließen.
    Naqi folgte den Flecken auf den Balkon.
    »Nämlich«, sagte sie noch einmal, machte sich aber nicht einmal die Mühe, es wie eine Frage klingen zu lassen.
    »Es gibt eine neue Entwicklung«, sagte Mina.
    Naqi rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Der Knoten?«
    »Sieh selbst. Da unten. Genau unter uns.«
    Naqi drückte den Körper fest gegen die Reling und beugte sich so weit vor, wie es ging. Sie hatte keinen Schwindel gespürt, bis sie die Sensorleinen ausgeworfen und damit eine physische Verbindung zwischen Luftschiff und Boden hergestellt hatten. War es nur Einbildung, oder war das Luftschiff tatsächlich auf die Hälfte der anfänglichen Höhe gesunken und hatte gleichzeitig die Leinen eingeholt?
    Der frühe Morgen schillerte in den verschiedensten Grautönen. Am Horizont verschmolz die mittelgraue Gebirgslandschaft des Knotens nahtlos mit dem Schiefergrau der Wolkendecke. Naqi konnte nichts Besonderes feststellen, außer dass die Oberfläche so unerwartet nahe war.
    »Du musst wirklich nach unten sehen«, verlangte Mina.
    Naqi schob sich noch weiter über die Reling, als sie es bisher gewagt hatte, bis sie schließlich nur noch auf den Zehenspitzen stand. Erst jetzt sah sie es: genau unter dem Luftschiff, fast als würfe es einen Schatten, befand sich ein scharf umrissener schwarzer Kreis. Es war jedoch eine Zone frei liegenden Meerwassers, eine Art Lagune inmitten des Knotens, die von steilen Wällen aus Schieberbiomasse mit anthrazitgrauem Kern umrahmt wurde. Naqi betrachtete sie zunächst schweigend, denn sie wusste wohl, dass ihre Schwester sehr kritisch beurteilen würde, wie sie sich äußerte.
    »Wie hast du es entdeckt?«, fragte sie endlich.
    »Entdeckt?«
    »Das Loch kann höchstens zwanzig Meter groß sein. Ein Pünktchen, das auf der topographischen Karte kaum zu sehen sein dürfte.«
    »Naqi, du siehst das falsch. Nicht ich habe uns über das Loch gesteuert. Es hat sich aufgetan, während wir darüber flogen. Hörst du die Motoren? Wir bewegen uns immer noch. Das Loch folgt uns. Es hält unsere Geschwindigkeit präzise mit.«
    »Wahrscheinlich eine Reaktion auf die Sensoren«, sagte Naqi.
    »Die habe ich eingeholt. Jetzt hängt in einem Abstand von dreißig Meter über der Oberfläche nichts mehr. Der Knoten reagiert auf uns, Naqi – auf das Luftschiff. Die Schieber wissen, dass wir hier sind, und sie schicken uns ein Zeichen.«
    »Mag sein. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, das Signal zu deuten. Wir sollen nur Messungen vornehmen, nicht mit den Schiebern interagieren.«
    »Und wer soll es dann tun?«, fragte Mina.
    »Muss ich es dir buchstabieren? Die Spezialisten aus Umingmaktok.«
    »Die treffen nicht mehr rechtzeitig ein. Du weißt selbst, wie lange sich die Knoten halten. Bis die Nachrichtensperre aufgehoben ist und die Superstars vom Schwimmercorps hier sind, sitzen wir nur noch über einem grünen Fleck. Das ist eine Sensation, Naqi. Der größte Knoten in dieser Saison, und er versucht ganz gezielt und unmissverständlich, Menschen zum Schwimmen aufzufordern.«
    Naqi trat von der Reling zurück. »Schlag dir das bloß aus dem Kopf.«
    »Ich denke schon die ganze Nacht darüber nach. Das ist nicht einfach nur irgendein großer Knoten, Naqi. Hier tut sich etwas – deshalb waren auch die Sprites so aktiv. Wenn wir hier nicht schwimmen, verpassen wir vielleicht eine einmalige Gelegenheit.«
    »Und wenn wir schwimmen, verstoßen wir gegen jede Dienstvorschrift. Wir sind nicht ausgebildet, Mina. Selbst wenn wir etwas in Erfahrung brächten – angenommen, die Schieber geruhten, mit uns zu kommunizieren –, wir würden uns den Unmut der ganzen wissenschaftlichen Gemeinde zuziehen.«
    »Das hinge doch wohl davon ab, was wir in Erfahrung brächten?«
    »Tu es nicht, Mina. Es lohnt sich nicht.«
    »Woher sollen wir das wissen, wenn wir es nicht versuchen?« Mina streckte ihr die Hand entgegen. »Pass auf. In einer Hinsicht hast du Recht. Mit großer Wahrscheinlichkeit passiert gar nichts. Normalerweise muss man ihnen ein Geschenk anbieten -ein Rätsel oder irgendetwas mit hohem Informationswert. Wir haben nichts

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