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Rhanmarú - Das tote Land (German Edition)

Rhanmarú - Das tote Land (German Edition)

Titel: Rhanmarú - Das tote Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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überleben, wird es dieser Trottel höchstwahrscheinlich auch.«
    »Jetzt sei nicht so«, bat Anna. »Der hat seine »positive Einstellung« vom Vater
geerbt. Wir kriegen das nur kurze Zeit mit. Er muss sein Leben damit verbringen.«
    »Wie wär´s denn, wenn ihr ihm zeigen würdet, dass alles mit einer optimistischen
Einstellung bedeutend leichter ist«, gab Aeneas zu bedenken.
    »Ganz schlechter Zeitpunkt!«, widersprach Erik sofort.
    Der Ringlord schüttelte seufzend den Kopf.
    Sie banden kleine Seilstückchen um ihre Handgelenke, damit keiner im Nebel
verloren gehen konnte. Niemand sagte jetzt noch etwas. Erma sah die Jugendlichen
der Reihe nach an. Ihren Gesichtsausdruck konnte man nur mit einem Wort
beschreiben: gottergeben!
    Mit Hilfe von Hollys Medaillon versetzte Aeneas seine Begleiter in einen
Trancezustand. Es ging so schnell, dass Erik noch nicht einmal Zeit fand zu grinsen,
weil er genau zu wissen glaubte, dass es mit dem Hin- und Herschwingen von
Ketten garantiert nicht funktionierte.

    Zum zweiten Mal in seinem Leben begann der Ringlord damit, sich auf das
Zitieren der Rhan-Regeln zu konzentrieren. Er hoffte, dass die Trance seiner
Begleiter tief genug war und er recht mit seiner Annahme hatte, sie würde die
Erschöpfung verdrängen. Sollte einer der Gruppe schlappmachen, hätten sie ernste
Probleme. Die hätten sie allerdings auch, wenn sich der Weg doch als zu weit
erweisen würde. Gern hätte er seinen Begleitern und sich selbst eine Ruhepause
gegönnt. Ohne Heiler hätte diese allerdings ziemlich lang ausfallen müssen. Der
Zustand der Jugendlichen verschlechterte sich zusehends. Unter der Bedrohung der
Dragan konnten sie kaum tagelang campieren, um die zurückliegenden Strapazen
auszukurieren. So konnte es nur heißen: jetzt oder nie! Er war sich sicher, die Illusionen
verdrängen zu können. Genauso sicher war er, dass, sollten sich im Nebel
Feinde befinden, dies ein kurzer Ausflug werden könnte. Noch nicht einmal einem
kleinen Feind fühlte er sich im Moment gewachsen.
    »Das klappt« hatte schon Erma nicht beruhigen können, ihn selbst beruhigte es
noch viel weniger. Aber in Ermangelung jeder anderen Alternative machte er sich
auf den Weg durch den Nebel. Er konnte aufkeimende Bilder von Karon und der
Lavaburg verdrängen. Auch Erinnerungen an das Verlies im Herrenhaus fielen den
Rhan-Regeln zum Opfer. Wäre die körperliche Schwäche nicht zunehmend größer
geworden, hätte der Marsch ihm wenig Probleme bereitet.
    Er hatte irgendwann jedes Zeitgefühl verloren, spürte nur, wie seine Beine
schwerer wurden. Er wurde langsamer, stolperte immer häufiger. Er stürzte und
stöhnte laut auf. Karon schlug mit seinem Sägeschwert auf ihn ein.
    »Es ist den Rhan verboten ...« Karon verschwand. Obwohl es feucht und kalt
war, lief ihm der Schweiß in Strömen übers Gesicht. Seine Kleidung klebte am
Körper. Er nahm den Duft von Himmelskraut wahr und zitterte. Er legte einen Arm
um seine schmerzende Brust und stolperte weiter. Die Umgebung nahm er schon
seit langem nicht mehr wahr. Der Marsch schien endlos.
    Er prallte gegen ein Hindernis und zuckte zusammen. Er verlor die Konzentration.
Kein Karon, kein Verlies, kein Himmelskraut, kein Nebel ... ein Baum! Sie
waren durch.
     
    Erma erwachte aus der Trance und sah sich mühsam konzentriert um. Sie waren
auf der anderen Seite des Nebels. Der Himmel war klar zu sehen und hellblau.
Aeneas lehnte an einem Baum und hatte die Augen geschlossen. Seine Verlobte
strich ihm sanft über die Wange.
    Er forderte, ohne die Augen zu öffnen: »Weck du die anderen! Ich brauch eine
kurze Pause.«
    Sie küsste ihn zärtlich und flüsterte ihm ins Ohr: »Du bist wirklich ein ganz
großer Ringlord, aber willst du dich nicht lieber setzen?«
    Er sah sie an und schüttelte den Kopf. »Ich weiß jetzt auch nicht, ob ich dann
jemals wieder hochkomme. Sieh mich nicht so ängstlich an! Wir schaffen das
schon.«
    Erma weckte die Jugendlichen. Ihre Freude darüber, dass sie jenseits des Nebels
waren, hielt sich in engen Grenzen. Ihre Erschöpfung war mittlerweile viel zu
groß, ihre Schmerzen zu heftig. Sie kamen kaum noch auf die Füße und stöhnten
und ächzten. Auf Ermas Frage, ob sie es nicht toll fänden, hier zu sein, antwortete
Adrian ohne jeden Enthusiasmus: »Juchhu!«
    Sie hörten ein Geräusch, als wenn sich Pferde schnell näherten.
    »Ungefähr zwanzig«, schätze Gerrit mit heiserer Stimme.
    Ermas Mut sank ins Bodenlose.

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