Rhanmarú - Das tote Land (German Edition)
kurz. Er führte sie einen Waldweg entlang bis zu einem
Fluss. Eine Steinbrücke führte hinüber, geradewegs auf eine hohe Mauer zu. Als
sie sich ihr näherten, wurde das Tor geöffnet. Sie ritten in einen Hof ein, an dessen
Ende sich eine mittelalterlich anmutende Burg aus weißem Stein befand. Sechs
Türme und etliche Giebel ragten in den Himmel. Rotweiße Fensterläden schmückten
die Fenster. Es sah aus wie ein Märchenschloss.
Man half ihnen beim Absteigen und führte sie hinein. Bunte Mosaikböden, riesige
Wandteppiche an den Kalkwänden und vergoldete Möbel, wie man sie in
Schlössern sah, ließen darauf schließen, dass die Marú sich von Burgen des alten
Europas hatten inspirieren lassen. Die nächsten Worte der Gastgeberin klangen in
den Ohren der Gäste wie Musik. Sie erklärte, es wären Zimmer für sie vorbereitet
worden und erholsame Kräuterbäder.
Erik wachte auf. Er lag in einem großen bequemen Bett mit Baldachin und
fühlte sich herrlich. Die furchtbare Erschöpfung war weg, sein Kopf frei, und er
konnte sich bewegen, ohne dass alles weh tat. Lediglich einige Verletzungen durch
die Stockschläge schmerzten noch ein wenig. Er schüttelte sich, als er an die letzten
Tage dachte. Es kam ihm wie ein Alptraum vor. Neugierig sah er sich um. Auf
einem Schemel neben dem Bett lagen zusammengefaltet Sachen zum Anziehen.
Auf einem Tisch standen Krug und Becher und eine Schale mit Obst. Sein Magen
knurrte umgehend. Bis auf die apfelgroßen grünen Teile, die er in Sunis Schloss
genossen hatte und die ein bisschen nach Pflaume schmeckten, kannte er nichts
davon. Weder die blutroten Beeren noch die gelben, stacheligen Dinger wollte er
probieren.
Er stand auf und machte sich frisch. Sein Körper schillerte in allen Regenbogenfarben.
Befriedigt dachte er, dass er wesentlich schlimmer aussah als er sich
fühlte. Er zog die weite Hose und das lose Hemd an, das man ihm hingelegt hatte,
schlüpfte in die Pantoffeln und sah in den Spiegel. Nun sah auch er wie ein
Bewohner der Wüste aus. Fehlte nur noch ein Turban. Jedenfalls war die Kleidung
ausgesprochen bequem.
Gutgelaunt verließ er das Zimmer. Auf dem Flur wurde er von einem jungen
Mann erwartet, der ihn in einen größeren Raum führte, dessen Wände Seidenteppiche
zierten und dessen Decke Blumenmalereien. Schwere, rote Vorhänge schmückten
die Fenster, die Möbel waren aus Holz mit Goldverzierungen. Einige seiner
Begleiter saßen an einer üppig gedeckten Tafel und unterhielten sich. Lennart,
Karem und Suni fehlten noch.
Er strahlte in die Runde. »Einen wunderschönen, guten Morgen wünsch ich.«
Sein Gruß wurde freundlichst erwidert.
Aeneas lächelte ihn an. »Na, dir geht’s auch wieder gut?«
»Gut? Ich fühl mich phantastisch, verglichen mit den letzten Tagen«, antwortete
er und fiel über das Frühstück her.
»Diese Heilbäder sind klasse«, schwärmte Adrian. »Das ist fast besser als
Heilen.«
»Und die Betten sind himmlisch weich«, fügte Holly mit einem wohligen Seufzer
an. »Ich hatte nur etwas Angst vor dem Einschlafen, nach unserer letzten
Erfahrung.«
Erik sah sein dick belegtes Fladenbrot plötzlich skeptisch an.
Anna lachte auf. »Iss nur! Aeneas hat schon überall dran geschnuppert. Scheinen
keine Drogen drin zu sein.«
Lennart betrat mit einem fremden Mädchen den Raum. »Darf ich euch Lynnea
vorstellen? Sie ist Ailinas jüngere Schwester und hat mir gerade die Burg gezeigt.
Sehr beeindruckend! So habe ich mir immer Camelot von König Artus vorgestellt.«
Er stellte nunmehr seine Begleiter vor und beide setzten sich an den Tisch.
Lynnea sah ihrer Schwester ausgesprochen ähnlich, ihre Haare hatten allerdings
einen rötlichen Schimmer.
Sie lächelte in die Runde. »Nicht das Schloss von irgendeinem Artus wollte
mein Ahnherr nachbauen, sondern die Burg eines bayerischen Königs. Das habe
ich in unserem Familienbuch gelesen. Dessen Namen habe ich vergessen. Viele
Türme sollte sie besitzen und weiß sein.« Sie zuckte die Schultern und gab dann
ihrer Verwunderung darüber Ausdruck, dass sie es geschafft hatten, das Nebelfeld
zu durchqueren.
»Ja, Aeneas, sag mal, wie war es eigentlich im Nebel?«, fragte Adrian sofort.
»Feucht«, war die kurze Antwort. Mehr schien der Ringlord nicht sagen zu
wollen. Er widmete sich stattdessen seinem Tee.
»Und dann sagt er, ich weiß so wenig über ihn, weil ich immer so viel rede«,
beschwerte sich Erma. »Könnt ihr das glauben?«
Die
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