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Rheingrund

Rheingrund

Titel: Rheingrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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zu. Wer keinen Schlüssel hat, muss abends den Weg durch das Restaurant nehmen.«
    »Um welche Uhrzeit schließen Sie ab?«, fragte Norma.
    »Meistens gegen 11 Uhr nachts. Warum wollen Sie das wissen? Gibt es Beschwerden?«, fragte die Frau besorgt.
    »Nein!«, versicherten Norma und Ehlers in einem Wort.
    Der Anwalt fragte nach Lenny.
    »Zimmer zwölf«, lautete die Antwort. »Er müsste oben sein.«
    »Lambert hat das Theater um 21 Uhr verlassen«, flüsterte Norma, als sie außer Hörweite waren. »Wenn er sofort ins Hotel gefahren ist, blieben dem Täter beinahe zwei Stunden Zeit, sich ins Haus zu schleichen.«
    »Hier, die Zwölf!«, raunte Ehlers ebenso leise und klopfte so unverhofft lautstark an die Tür, dass Norma zusammenzuckte.
    Lenny öffnete umgehend und begrüßte den Anwalt mit dankbarer Miene, die sich verfinsterte, als er Norma bemerkte. »Was wollen Sie hier?«
    »Lenny, es war nicht meine Absicht, Ihren Vater zu beschuldigen«, entgegnete sie. »Aber ich muss sagen, was ich gesehen habe. Würden Sie uns für einen Augenblick Ihren Autoschlüssel leihen?«
    »Um meinen Vater noch mehr reinzureißen?«
    »Im Gegenteil, Lenny. Ich will Ihrem Vater helfen. Also bitte geben Sie uns den Schlüssel.«
    Ehlers wiederholte die Bitte. Schließlich willigte Lenny ein, folgte ihnen jedoch argwöhnisch auf den Hof hinunter und beobachtete schweigend den kurzen Test. Erst als sie sich wieder in seinem Zimmer befanden, wollte er wissen, was das zu bedeuten habe.
    Norma ging nicht auf die Frage ein. »Am Donnerstagabend muss Ihr Vater Besuch bekommen haben. Ist Ihnen nichts aufgefallen?«
    »Wenn ich nur hier gewesen wäre!«, rief Lenny verzweifelt. »Ich habe ein Mädchen kennengelernt und war mit ihr im Kino. Später sind wir in eine Kneipe gegangen. Als ich ins Hotel kam, lag mein Vater im Bett und stank nach Schnaps. Er war nicht ansprechbar.«
    »Kommt das öfter vor?«
    »Nach dem Tod meiner Mutter hat er viel getrunken«, bekannte Lenny. »In den letzten Jahren allerdings eher selten. So schlimm wie an dem Abend war es lange nicht mehr.«
    »Wo war der Zweitschlüssel?«, fragte Ehlers.
    Lenny zeigte neben das Bett. »Ich lege den Wagenschlüssel immer auf den Nachttisch – sofern ich daran denke. Manchmal verschludere ich Sachen wie Schlüssel und Handy. Deswegen habe ich mir nichts dabei gedacht, als der Schlüssel an dem Morgen fort war. Mein Vater war schon aufgebrochen. Ich habe drüben bei ihm nachgesehen, den Schlüssel aber nirgends gefunden.« Er stieß die dritte Tür auf. »Das ist das Zimmer meines Vaters.«
    Ein Hemd hing über der Stuhllehne. Der Koffer lag halb geöffnet auf der Ablage. Auf dem Tisch am Fenster entdeckte Norma Zeitschriften und einen Stapel Bücher über den Rheingau, von denen sie zwei oder drei dem Verlag ihres Schwiegervaters zuordnete. Das Zimmer schien darauf zu warten, dass Lambert jeden Augenblick hereinspazierte.
    »Ist die Verbindungstür immer unverschlossen?«
    Der Junge schaute irritiert. »Warum denn nicht? Wir haben keine Geheimnisse voreinander.«
    »Sicher nicht! Aber es war die Chance für den Täter, sich den Autoschlüssel zu schnappen.«
    »Welcher Täter?«, fragte Lenny wie elektrisiert. »Wissen Sie, wer Reber wirklich umgebracht hat?«
    Norma wiegelte ab. »Bisher ist es nur ein Verdacht.«
    »Mein Vater ist nicht das, was die Polizei behauptet. Er ist kein Mörder. Er ist der beste Vater, den man sich wünschen kann!«
    Ehlers versprach, alles für Lambert zu tun, was in seiner Macht stand. Norma fühlte sich unglaubwürdig, als sie Lenny versicherte, ebenfalls auf seiner Seite zu stehen. Für ihn galt sie als Hauptbelastungszeugin.
    Sie verließ das Hotel gemeinsam mit dem Anwalt auf dem Weg, den sie gekommen waren.
    Ehlers klang hochzufrieden, als er verkündete: »Das Ergebnis unseres Versuchs bringt mich zu folgender Hypothese: Der Täter hat sich am Donnerstagabend, als Lambert betrunken war, den Autoschlüssel besorgt und das Seil aus dem Kombi genommen. Er wusste, dass Lambert am Morgen zum ›Grauen Stein‹ wollte. Nach Rebers Absturz schlich sich der Täter zum Parkplatz Monstranzenbaum, wo bereits Lamberts Wagen stand. Mit dem geklauten Ersatzschlüssel konnte er den Kombi aufschließen und das Seil hineinlegen. Er ließ die Heckklappe offen, als er den Wagen wieder absperrte, kletterte dann von hinten hinein und versteckte den Schlüssel unter dem Sitz. Von außen musste er schließlich nur noch die Heckklappe zuschlagen.

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