Rheinsteigmord - Kriminalroman
drängte sich der Ortsteil Ehrenbreitstein, durch eine gläserne Lärmschutzwand von der Bundesstraße getrennt, wie ein eigenes historisches Städtchen an den Felsen. Weit oben auf dem Berg blickten die Mauern der Festung, nach der dieser Ortsteil benannt war, zu ihm herab.
Am gegenüberliegenden Ufer tauchte am Zusammenfluss von Rhein und Mosel das Deutsche Eck auf. Das Denkmal aus der Kaiserzeit kam Fred immer wie ein gewaltiger dunkler Brocken vor. Seit man Anfang der neunziger Jahre die Figur des reitenden Kaiser Wilhelm wieder auf das steinerne Podest gestellt hatte, wirkte es auf ihn fast ein bisschen unheimlich.
Seit der Bundesgartenschau des Jahres 2011 schwebten gläserne Kästen über das Flusstal – Waggons der Seilbahn, mit der man vom Deutschen Eck hinauf zur Festung fahren konnte, Panoramablick inklusive.
Fred lenkte Chandler in den Ehrenbreitsteiner Ortskern, vorbei an einem Schalenbrunnen und einem Fachwerkgebäude mit gelbem Sockel, bei dem die Fächer zwischen den Balken modern verspiegelt waren. In diesem Haus, das heute ein Museum war, war einst Beethovens Mutter zur Welt gekommen.
Es war unmöglich, einen Parkplatz zu finden. Fred quetschte sich einfach hinter den in zweiter Reihe geparkten Lieferwagen eines Handwerkers und sah zu, dass er wenigstens niemanden blockierte.
Er stieg aus und orientierte sich, um Daniela Hechts Adresse zu suchen. Die Klänge einer Violine tönten zwischen den verzierten Fassaden, und nach einigen Takten wurde Fred klar, dass da gerade jemand Beethovens Violinkonzert spielte. Irgendwo weit oben drang der Ton aus einem offenen Fenster. Wer immer es war, er spielte ziemlich gut.
Er überprüfte die Klingelschilder. »D. Hecht« stand auf einem, »W. Hecht« auf einem anderen.
Da es sicher keinen Zweck hatte, bei Daniela Hecht zu klingeln, drückte er auf den anderen Knopf.
Ein schrilles Klingeln legte sich irgendwo oben unter den süßen Geigengesang. Die Musik brach ab. Wenige Sekunden lang herrschte Stille, dann begann das Geigenspiel erneut.
Fred klingelte noch einmal. Es tat ihm in der Seele weh, dieses Talent zu unterbrechen, doch es musste sein.
Wieder trat eine Pause ein, dann summte der Türöffner. Fred drückte gegen die dicke Messingklinke und trat ein. In einem engen Hausflur führte eine hölzerne Treppe nach oben. Bei jedem Schritt ächzten die alten Stufen.
»Ich wünsche keine Störung«, sagte eine Stimme, noch ehe Fred oben angekommen war. »Ich dachte, es sei der Postbote.«
Fred konnte die Gestalt mit einem hastigen Blick gerade noch erfassen, bevor sie hinter der hohen dunklen Wohnungstür verschwand und diese hinter sich zuwarf. Im Inneren der Wohnung hörte er Schritte. Dann begann wieder die Geigenmusik.
»Wieland Hecht« stand auf einem Messingschild an der Tür des Musikers. An der Tür gegenüber war der Name nicht auf Messing, sondern mit Filzstift auf einem Klebezettel angebracht: »Daniela Hecht«.
Fred ließ Wieland Hecht, der ja offenbar der Geiger war, erst einmal weiterspielen und untersuchte das Treppenhaus. Er war hier im zweiten Stock. Oben gab es noch zwei weitere Etagen. Er ging die Treppe wieder hinunter, überprüfte eine Tür gegenüber der Haustür und gelangte in einen Hinterhof. Eine Batterie Mülltonnen stand an der Hauswand. An der Rückseite eines angrenzenden Hauses wurde gerade etwas repariert. Die Arbeiter hatten ihre Werkzeuge und ihr Material stehen und liegen gelassen: eine Schubkarre, eine Leiter, eine dreckige Plastikwanne und mehrere Papiersäcke mit Beton. Daneben türmten sich drei Paletten mit Steinen. Ein rostiges Tor, das aber geschlossen war, führte zum Nachbargrundstück.
Fred ging wieder hinauf und klingelte erneut. Diesmal reagierte Wieland Hecht sofort. Er öffnete die Tür, und Fred staunte: Der Mann war mit rosa Jeans und einem rosa Hemd bekleidet. Sogar die Turnschuhe an den Füßen waren rosa – das heißt, nicht nur einfach rosa, sondern von einem intensiven Pink. In der einen Hand hielt er eine rötlich glänzende Violine und den Bogen. Die andere ruhte an der Türkante. Er hob in einer affektierten Geste den Kopf, sodass sein schulterlanges aschblondes Haar zurückfiel, und rief: »Habe ich nicht ausdrücklich um Ruhe gebeten? Was wünschen Sie, bitte?«
»Sind Sie Herr Hecht?«
»Allerdings.«
»Mein Name ist Bleikamp …«
»Schön für Sie, aber Sie stören mich gerade sehr.«
»Nur eine kurze Frage, Herr Hecht. Es geht um Ihre … ich nehme an, sie ist eine Verwandte.
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