Rheinsteigmord - Kriminalroman
Frage?«
»Nein«, sagte sie.
Schnell suchte Fred nach einer Ausrede. »Ich dachte, ich hätte bei meinen Recherchen einen Ackermann gefunden, der sich für so was interessiert. Sie wissen ja, die Nähe zu Koblenz. Alte Garnisonsstadt. Viele Soldaten.«
»Der Name unserer Familie ist nicht gerade selten«, sagte Ackermann. »Sicher ist das ein Missverständnis. Keiner aus unserer Familie hat irgendwas mit dem Krieg zu tun gehabt. Nur mein Onkel Johann, Sie wissen schon, der 1949 an Krebs starb – er hat im Zweiten Weltkrieg gekämpft, genau wie mein Vater auch. Onkel Johann war sogar in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Aber als es vorbei war, wollten sie davon nichts mehr wissen.«
»Bitte gehen Sie jetzt«, sagte die Frau.
Fred stand auf und verabschiedete sich. Ackermann nickte nur.
Wieder ging die Frau voran. Im Wohnzimmer fiel Fred etwas auf, was er bei seiner Ankunft nicht bemerkt hatte. Neben einem offenen Durchgang zu einem Esszimmer hing ein riesiges Bild. Es waren Namen darauf, verbunden mit verschnörkelten Linien. Der Stammbaum der Familie Ackermann. Fred blieb stehen, orientierte sich und fand die Personen, die Friedhelm Ackermann erwähnt hatte.
Der Gründer Peter Ackermann. Seine Frau Mathilde. Sie hatte noch bis 1975 gelebt. Johann, Georg, schließlich Friedhelm. Gesine – die Tochter von Johanns Sohn Theodor.
Jeder Eintrag war mit einem Foto versehen. Die Firmengründer präsentierten sich als streng dreinblickendes Ehepaar. Fred kannte das Bild. Er hatte es schon in der Firma gesehen. Mathilde Ackermann saß, in ein schwarzes Kleid gehüllt, neben ihrem Mann auf einem Stuhl. Peter Ackermann, im Anzug mit Hut und Uhrenkette, stand aufrecht, eine Hand auf der Lehne neben der Schulter seiner Frau abgelegt.
Auch die jüngeren Abkömmlinge der Familie waren zu sehen: Gesine Ackermann war auf dem Foto viel jünger. Langes blondes Haar, ein selbstbewusstes Lächeln auf den Lippen. Etwa auf gleicher Höhe ihr Cousin Simon. Nach den Farben und der Kleidung zu urteilen, war das Bild etwa zwanzig oder dreißig Jahre alt. Fred prägte sich Simons kantiges Gesicht gut ein.
»Man legt hier sehr viel Wert auf die Familientradition«, sagte die Frau namens Hanna.
»Gesine Ackermanns Vater Theodor«, sagte Fred. »Er wurde 1939 geboren, aber da steht kein Todesdatum. Lebt er noch?«
»Das Datum ist bisher nicht eingetragen worden. Er ist vor drei Jahren irgendwo im Mittelmeer ertrunken. Er verbrachte sehr viel Zeit auf Korsika.«
»Und Herrn Ackermanns Sohn Simon? Wie erreiche ich ihn?«
»Um diese Zeit dürften Sie ihn auf dem Golfplatz finden.«
»Auf welchem?«
»In Neuwied.«
»Können Sie mir sagen, was für einen Wagen er fährt?«
»So einen kleinen Sportwagen. Schwarz. Ich kenne mich da nicht aus.«
»Das Kennzeichen?«
»Warum wollen Sie das wissen? Ich weiß nicht … Auf jeden Fall NR für Neuwied. Mehr weiß ich leider auch nicht.«
Als Fred in den Wagen steigen wollte, überlegte er es sich spontan anders. Er spazierte ein Stück die Straße entlang. Dabei versuchte er sich vorzustellen, wie es hier zu Peter Ackermanns Zeiten ausgesehen haben mochte.
Vorläufer der Siedlung war wohl nichts anderes als ein Feldweg gewesen, auf dem von Pferden gezogene Wagen den Ton abtransportierten. Irgendwann, vermutlich nach dem Krieg, hatte man angefangen, das Gebiet nach und nach in Bauland umzuwandeln. Sicher hatte die Familie Ackermann auch damit Geld verdient. Es waren nicht nur die Geschäfte mit dem Ton, die Rezepturen für Keramik, die die Familie reich gemacht hatten.
In der Einfahrt vor Gesine Ackermanns Garage stand der Wagen von Jonas Hamm. Fred erklomm die Stufen zum Eingang. Bevor er auf die Klingel drücken konnte, hörte er durch ein offenes Fenster im ersten Stock ein Geräusch. Es war sehr leise, und vielleicht hätte er nicht darauf geachtet, wenn er nicht einen Moment überlegt hätte, ob es wirklich sinnvoll war, jetzt auf Hamm zu treffen. Er musste mit ihm sprechen, wenn Gesine Ackermann nicht dabei war. Wenn niemand von den Ackermanns dabei war.
Rhythmisches Stöhnen. Ein leises Quieken. Dann war es wieder still. Schließlich folgte so etwas wie ein Grunzen – eindeutig von einem Mann.
Fred steckte die Hände in die Hosentaschen und ging zurück zu seinem Wagen. Es war nicht der richtige Zeitpunkt.
Er musste auf eine andere Gelegenheit warten.
28
Der Golfplatz war schwerer zu finden, als Fred gedacht hatte. Er wusste, dass er sich irgendwo oberhalb von Neuwied
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