Rheinsteigmord - Kriminalroman
das trotzdem erst absprechen.«
»Geht es Herrn Ackermann nicht gut? Ich meine, könnte ihn das Gespräch zu sehr anstrengen? Ist das der Grund, warum …?«
»Hat Herr Hamm Ihnen das nicht gesagt?«
»Äh … nein.«
»Das kommt mir seltsam vor, Herr Bleikamp. Aber wie auch immer. Ich muss erst nachfragen. Wie kann ich Sie erreichen?«
»Ich muss jetzt gleich in eine Besprechung. Es wäre mir lieber, wenn ich Sie noch mal anrufen könnte.«
»Versuchen Sie es in einer halben Stunde.«
Fred verabschiedete sich und hängte auf.
Dann versuchte er es bei Sarah. Ihr Handy war abgeschaltet. Wahrscheinlich war sie an der Uni. Sollte er sie zu Hause anrufen? Und Gefahr laufen, Nina an der Strippe zu haben? Oder am Ende noch Pablo?
Er konnte ja einfach auflegen.
Es tutete lange.
Schließlich kam das Besetztzeichen.
Fred trieb sich eine Weile auf der Raststätte herum und beobachtete holländische Familien, die vor ihren Wohnwagen kleine Picknicks veranstalteten. Er vermisste Chandler. Seinen Schriftsteller-Thron. Die Schreibmaschine auf dem eingebauten Schreibtisch.
Witzbold, dachte er. Du hast ja gar nichts geschrieben. Es war das Gefühl, sich jederzeit an die Schreibmaschine setzen zu können, das ihm fehlte.
Ihm fiel ein, dass er noch gar nicht gefrühstückt hatte. Er ging in den Restaurantbereich des Gasthauses, warf einen Blick in die Pfannen und Töpfe hinter der Theke, wo Personal in Kochmützen hantierte. Schließlich kaufte er sich ein Stück Schokoladenkuchen und einen Kaffee und verzehrte beides langsam an einem Platz neben den hohen Fenstern.
Die Minuten rannen zäh dahin, und Fred wurde nervös. Aber es gelang ihm, seine Ungeduld im Zaum zu halten, bis die halbe Stunde vergangen war.
»Bei Ackermann.« Dieselbe Stimme.
»Ja, hallo, Bleikamp noch einmal. Sie hatten gesagt, ich solle mich noch mal melden.«
»Herr Ackermann erwartet Sie. Wann können Sie hier sein?«
»In einer halben Stunde?«
»In Ordnung. Aber stellen Sie sich bitte darauf ein, dass Sie nur kurz mit Herrn Ackermann sprechen können. Es strengt ihn sehr an.«
»Geht in Ordnung«, sagte er.
27
Fred ließ den Wagen langsam durch die Straße rollen, in der Gesine Ackermann wohnte. Im Vorbeifahren blickte er in die Garageneinfahrt. Das Tor war offen, die Garage leer. Klar. Gesine Ackermann arbeitete ja. Und offenbar war Jonas Hamm auch nicht da.
Er erreichte den Wendehammer, an dem er bei seinem letzten Besuch gewendet hatte – freilich ohne die weiße, mindestens zwei Meter hohe Mauer zu beachten, die das Areal hinter dem kleinen asphaltierten Platz abgrenzte. Hier gab es keine offene Garageneinfahrt, sondern nur ein massives grünes Tor, das geschlossen war. Daneben eine Tür, im gleichen Grün gestrichen. Ein Klingelknopf ohne Namensschild. Ein Briefkastenschlitz. Auf dem Mauersims starrte Fred eine Videokamera entgegen.
Er ließ den Wagen im Wendehammer stehen, stieg aus und drückte auf die Klingel. Nach einer halben Minute meldete sich die Stimme der Frau, mit der er telefoniert hatte.
»Herr Bleikamp?«
»Ja.« Er blickte in das dunkle, glänzende Auge der Kamera. »Guten Tag.«
»Bitte kommen Sie durch bis zum Haus.«
Es schnarrte, und Fred konnte die Tür aufdrücken. Jenseits der Mauer erwartete ihn ein großer, mit weißem Kies bedeckter Platz. Das Haus kauerte dahinter. Es war ein breiter Bungalow mit niedrigem Dach. Rechts daneben zwei große, verschlossene Garagen. Ein gefliester Weg führte am Rand einer leuchtend grünen Rasenfläche zum Haus – vorbei an einer bläulichen Tanne, die den Eingangsbereich verdeckte.
In der Tür stand eine grauhaarige Frau, die Fred durch große Brillengläser hindurch streng entgegensah. Sie trug einen dunkelblauen Rock, eine weiße Bluse und cremefarbene Gesundheitsschuhe mit hohen Absätzen.
»Kommen Sie bitte, Herr Bleikamp«, sagte sie und trat zur Seite, um ihn einzulassen.
Fred betrat die dunkle Kühle des Hauses. Die Frau führte ihn durch einen mit unregelmäßigen Natursteinen gefliesten Vorraum. Über einer breiten Tür mit gebogener Oberseite starrte Fred ein Hirschschädel entgegen, aus dem ein eindrucksvolles Geweih herausragte. Dann ging es durch ein riesiges Wohnzimmer, an dessen rechter Wand weitere Jagdtrophäen hingen. Die linke Seite war von einer wuchtigen dunkelbraunen Schrankwand bedeckt.
»Herr Ackermann ist im Garten«, sagte sie. »Bei schönem Wetter hält er sich nicht gern im Wohnzimmer auf.«
Sie gingen über dicken Teppich, vorbei an
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