Rheinsteigmord - Kriminalroman
rein?«
»Das kann ich nicht sagen. Lassen Sie uns erst mal hinfahren.«
Sie folgten der Straße bis zu einem Wendehammer, hinter dem freies Feld lag. In den Rinnsteinen türmte sich Verpackungsmüll – offenbar Hinterlassenschaften der Fernfahrer, die hier Pause machten. Auf einigen Pappbechern war das gelbe M auf rotem Grund zu sehen.
Hamm bremste und bog in einen Feldweg ab. Der Wagen schaukelte. Fred überlegte, ob Simon Ackermann seine Oldtimer auf dieser Strecke in die Garage fuhr. Eigentlich ging das gar nicht.
»Ist das der offizielle Weg?«, fragte er.
»Nein, eine Abkürzung.«
Hamm bog ein weiteres Mal ab, und nun wurde der Weg besser. Sie passierten ein Verbotsschild mit dem Zusatz »Landwirtschaftlicher Verkehr frei« . Rechts säumte ein Wäldchen die Straße. Ein rostiger Zaun erschien. Dann ein Tor. Dichte Tannen versperrten hinter dem Zaun die Sicht, doch Fred erahnte die Wände eines Gebäudes.
»Hier bewahrt Ackermann seine wertvollen alten Wagen auf?«, fragte er. »Das glauben Sie doch selber nicht.«
»Vorn gibt es noch eine andere Zufahrt. Um dorthin zu gelangen, hätten wir aber ganz anders fahren müssen. Noch mal auf die Bundesstraße, dann über eine andere Abfahrt. Ich weiß, wovon ich rede. Wie gesagt, ich war schon mal hier.«
Sie stiegen aus. Das Tor war nur angelehnt.
»Sehen Sie?«, sagte Hamm.
Jetzt war das Gebäude etwas besser zu erkennen. Die Form erinnerte an ein altes, nüchtern gestaltetes Wohnhaus. Graubrauner Putz. Zwei Stockwerke, darüber ein Ziegeldach, auf dem dickes bräunliches Moos wuchs. Eine Haustür, die aus rostigem Metall bestand. Daneben eine Schicht Glasbausteine. Drei davon waren farbig. Rot, grün und blau. Als habe der Baumeister versucht, mit einem letzten Mittel die Tristesse des Bauwerks noch abzuwenden. Mit dem Ergebnis, dass er die gruselige Atmosphäre nur unterstrich. Sicher liegt es nur an den Tannen, die alles verdecken, dachte Fred.
Ein Plattenweg, ebenfalls voller Moos und rutschig, führte zwischen den Bäumen hindurch zu der Tür und verlief dann weiter um das Haus herum.
»Das ist früher mal eine richtige Werkstatt gewesen«, sagte Hamm. »Der Besitzer hat hier auch gewohnt. Sie war in Betrieb, bevor das Industriegebiet dahinten entstand.«
Fred nahm den Weg um das Haus herum. Hamm hatte die andere Seite erwähnt. Dort war sicher mehr zu sehen. Vielleicht gab es ein Fenster, durch das man etwas erkennen konnte. Oder sogar einsteigen …
Bin ich in dieser Nacht hier gewesen?, überlegte er. Hat Chandler hier hinten am Tor oder vorn, wo es sicher mehr Platz gibt, gestanden? Und hat man mich, von K.-o.-Tropfen betäubt, hier reingebracht?
»Herr Bleikamp?«
Fred sah sich um. Er war allein um die Ecke gegangen.
Vor ihm versperrten Büsche den Weg. Es war aber deutlich zu erkennen, dass sich das Gebäude weit nach hinten zog. Wahrscheinlich wäre es besser, auf der anderen Seite nach vorn zu gehen.
»Herr Bleikamp, kommen Sie doch mal bitte.«
Er ging zurück. Da stand Hamm. Die Tür war offen.
»Es war nicht abgeschlossen«, sagte er. »Fragen Sie mich nicht, warum.« Er wies auf die Türöffnung. »Sie wollten sich doch umschauen. Bitte, nach Ihnen.«
30
»Das soll ein Wohnhaus gewesen sein?«, fragte Fred. Sie standen in einem Vorraum mit nacktem Betonboden. Nur durch die Glasbausteine fiel trübes Licht herein.
Jonas Hamm schloss die Tür. Es gab ein leichtes Quietschen und einen Knall, als Metall auf Metall schlug.
»Vielleicht auch nicht«, sagte er. »Vielleicht täusche ich mich. Oder es wurde oft umgebaut. Keine Ahnung. Kann sein, dass es doch nur ein Lager war.«
»Ich dachte, Sie wüssten alles? Sie sind doch schon hier gewesen?«
»Dass ich hier gewesen bin, heißt nicht, dass ich alles über die Geschichte dieses Hauses weiß. Sie suchen doch ein altes Lager, oder nicht?«
Der Vorraum besaß nackte, weiß getünchte Wände und nahm die ganze Breitseite des Gebäudes ein. Vor ihnen befand sich eine weitere Tür. Fred probierte die Klinke, sie gab nach. Dahinter ging es in einen Raum, der in vollkommener Dunkelheit lag. Aus der Tiefe der Finsternis drang ein seltsamer, muffiger Geruch. Fred hatte ihn etwas leichter schon beim Betreten des Hauses wahrgenommen. Er erinnerte an Maschinen. An Öl. An Rost.
»Da müsste irgendwo ein Lichtschalter sein«, sagte Hamm von hinten.
Fred betastete die Wand. »Hier riecht es komisch«, sagte er.
»Wahrscheinlich Schmieröl und Eisen. Gummi. Was halt an einem Ort, an
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