Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)
solch einer schwierigen Ermittlung zu führen war nicht einfach, und er war momentan alles andere als stabil. Vielleicht versuchte er auch nur, sein eigenes Gewissen zu besänftigen, indem er versuchte, diesen Fall zu lösen. Laura konnte er nicht mehr retten, aber unter Umständen konnte er weitere Morde verhindern. Er schüttelte den Kopf. Wen interessiert das schon? Und selbst wenn, es wäre nicht dasselbe. Es wäre nicht seine Laura. Er schlug auf das Lenkradein und versuchte dabei irgendwas zu fluchen, doch es waren nur Klagelaute, die sich unter die einsetzenden Tränen mischten. Plötzlich klingelte sein Handy. Auf dem Display leuchtete der Name von Ammer auf. Er ließ es viermal läuten, bevor er abnahm.
»Seeberg.«
»Scheint niemand da zu sein.«
»Versuch’s noch mal.« Freitag deutete auf die Klingel, und Ammer drückte erneut. Doch auch beim vierten Versuch wurde ihnen nicht geöffnet.
»Und was machen wir jetzt? Sie hat doch acht Uhr gesagt, oder?«
»Ja«, bestätigte Freitag nach einem Blick auf ihre Armbanduhr, die mittlerweile sogar zehn Minuten nach acht anzeigte. »Wir sind pünktlich.«
»Hier, halt mal.« Ammer reichte seiner Kollegin den Durchsuchungsbefehl und ging zu einem der Fenster. Dort legte er die Hände so zwischen die Scheibe und sein Gesicht, dass ihn das Licht der Straßenlaterne nicht blendete. Er hoffte, etwas im Inneren erkennen zu können. Doch schon nach wenigen Sekunden schüttelte er den Kopf.
»Nichts zu sehen. Vielleicht ist sie noch bei ihrer Freundin.«
»Ja, vielleicht.«
»Ich bin dafür, dass wir Seeberg anrufen. Was denkst du?«
Es war wohl mehr eine rhetorische Frage, denn noch bevor Freitag antworten konnte, tippte Ammer die Nummer des Kommissars ein. Es dauerte etwas, bis der Kommissar endlich abnahm.
»Seeberg.«
»Ja, Ammer hier, Herr Kommissar. Wir stehen vor der Haustür von Michelle Karstensen. Es scheint aber niemand da zu sein. Jedenfalls macht uns keiner auf. Sollen wir trotzdem reingehen oder warten?«
»Sie ist nicht zu Hause?«
»Nein.«
»Das hört sich nicht gut an. Ist sie vielleicht noch bei ihrer Freundin?«
»Das hätte sie uns doch gesagt. Was sollen wir machen?«
»Ruft jemanden, der uns die Tür aufmachen kann, und wartet dort auf mich. Ich bin in zehn Minuten bei euch.«
21.
Trotz der eisigen Temperaturen hatte der Mann vom Schlüsseldienst keine Probleme, das Schloss zu öffnen. Schon nach wenigen Handgriffen schwang die Tür zum Hausflur der Villa auf und gab den Weg insHaus frei. Seeberg hatte aus seinem Wagen seine Taschenlampe mitgenommen und ging voran. Die beiden jungen Kollegen folgten dahinter.
»Nichts anfassen. Auch nicht die Lichtschalter. Könnte sein, dass wir Spuren verwischen.«
»Dort vorn geht es in das Wohnzimmer.« Ammer wies dem Kommissar den Weg. Seeberg nickte und klopfte vorsichtshalber an die Tür des Wohnzimmers.
»Frau Karstensen? Hallo, sind Sie zu Hause?«
Keine Antwort war zu vernehmen. Weder aus dem Wohnzimmer noch aus der anliegenden Küche.
»Ob ihr doch nur etwas dazwischengekommen ist?«, fragte Freitag und beantwortete sich ihre eigene Frage selbst. »Aber dann hätte sie sich doch gemeldet.«
Seeberg zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich. Die Adresse ihrer Freundin oder ihre Mobilnummer haben wir auch nicht, oder?«
»Nein.« Ammer schüttelte den Kopf. »Das habe ich vergessen zu notieren.«
»Dann schauen wir mal in der oberen Etage nach.«
Sie setzten ihren Weg weiter fort und folgten dem schmalen Lichtkegel von Seebergs Taschenlampe. Als sie die ersten Stufen genommen hatten, klapperte etwas in einem der Zimmer des Obergeschosses. Sie hielten inne, und der Kommissar signalisierte, dasssie ihre Dienstwaffe bereithalten sollten. Dann gingen sie die weiteren Stufen eng an der Wand gepresst entlang nach oben.
Seeberg öffnete vorsichtig die Tür des ersten Zimmers. Das Badezimmer.
»Hallo, Frau Karstensen?«
Keine Antwort.
Vorsichtig schloss er die Tür wieder und ging weiter. Dann ertönte erneut das Geräusch. Beim zweiten Zimmer war die Tür nur angelehnt. Sie lauschten. Das Geräusch schien aus diesem Raum zu dringen. Ammer und Freitag richteten ihre Waffen aus, und der Kommissar zählte mit den Fingern bis drei, dann stürmten sie herein. Doch schon der erste Blick genügte, und sie senkten wieder ihre Waffen. Was sie hier sahen, war keine Bedrohung mehr, sondern lediglich ein weiterer Tatort.
»Verdammt«, fluchte Seeberg, »er war wieder schneller als
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