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Rhosmari - Retterin der Feen

Rhosmari - Retterin der Feen

Titel: Rhosmari - Retterin der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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wütend hervor. »Ich hasse sie und sie soll sterben!«
    »Ich weiß«, antwortete Timothy mit derselben leisen Stimme. »Ich hasse sie auch. Aber … du bist an Garans Tod nicht schuld.«
    Die Luft in Rhosmaris Lungen war zu Wasser geworden, das ihre Brust und ihre Augen füllte. »Doch«, keuchte sie. »Wenn ich nicht hierhergekommen wäre … Wenn ich nicht … Ich hätte …«
    »Rhosmari.« Timothy streckte die Hand aus und strich ihr mit den Fingern über die Wange. »Ich kenne niemanden sonst, der so unbedingt alle retten will. Aber das kannst du nicht.« Er hob den Bogen von ihrer Schulter und ließ ihn an ihrem Arm hinuntergleiten. »Das kann keiner von uns.«
    Rhosmari wollte den Bogen festhalten, aber da hatte Timothy ihn schon beiseitegelegt. Sie umklammerte den Gurt des Köchers und drehte sich zur Seite, damit Timothy ihn ihr nicht wegnehmen konnte … doch dann riss sie sich, angeekelt von sich selbst, den Köcher herunter und ließ ihn fallen. Klappernd landeten die Pfeile auf dem Boden, während sie selbst auf die Knie fiel und das Gesicht in den Händen vergrub.
    Timothy kniete sich neben sie und legte ihr den Arm um die Schultern. »Gut«, sagte er mit belegter Stimme. »So ist es gut, Rhosmari.«
    »Ich wollte doch nicht, dass all die schlimmen Sachen passieren«, schluchzte sie. »Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und alles ungeschehen machen … Wäre ich doch auf den Grünen Inseln geblieben …«
    »Wenn du nicht gekommen wärst, hätte Hasenglöckchen uns trotzdem verraten«, sagte Timothy. »Und sie hätte der Kaiserin den Namensstein trotzdem gegeben und Garan wäre wahrscheinlich trotzdem und genau auf dieselbe Art gestorben. Aber ich hätte dich dann nicht kennengelernt.« Er senkte die Stimme. »Und das fände ich schlimm.«
    Rhosmari machte sich von ihm los und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. »Du weißt ja nicht, wie ich wirklich bin«, sagte sie erstickt. »Du weißt nicht, was ich getan habe. Ich bin eine solche Heuchlerin, Timothy. Ich will die ganze Zeit verhindern, dass andere einander wehtun, dabei …«
    »Nicht.« Seine Stimme klang sanft. »Sei nicht so streng mit dir. Ich staune sowieso, wie lange du durchhältst nach dem, was die Kaiserin dir angetan hat.«
    »Aber das meine ich nicht.« Rhosmari zupfte an einem losen Faden ihres Rocks. »Ich weiß, wie schrecklich es ist, jemanden plötzlich zu verlieren … und durch Gewalt. Und deshalb kann ich es auch nicht ertragen, dass Leute sich bekämpfen. Als meine Mutter mir sagte, Menschen hätten meinen Großvater getötet, da … da hatte ich das Gefühl, nie wieder einem Menschen trauen zu können. Aber … als mein Vater vor acht Jahren starb, war trotzdem ich daran schuld.«
    Timothy setzte sich hin und sah sie mit ausdruckslosem Gesicht an. Er sagte nichts und wartete nur darauf, dass sie fortfuhr. Nach einer kurzen Pause hatte Rhosmari sich wieder so weit gefasst.
    »In der Nähe unseres Hauses auf den Grünen Inseln gab es eine Bucht. Mein Vater verbot mir, dort hinzugehen, es sei gefährlich. Er sagte allerdings nicht warum, und ich glaubte … also ich glaubte, ich sei alt genug, selber auf mich aufzupassen. Also ging ich trotzdem hin.«
    Timothy nickte, was bedeuten konnte, dass er sie verstand oder dass er an ihrer Stelle genau dasselbe getan hätte. Wie sie ihn kannte, war es beides.
    »Der Weg dorthin war abschüssig und schlüpfrig, aber als ich unten ankam, fand ich wunderschöne Muscheln, wie ich noch nie welche gesehen hatte. Ich war so mit Muschelsammeln beschäftigt, dass ich nicht an die Zeit dachte. Und dann stieg die Flut.«
    Instinktiv hatte sie den Weg wieder hinaufsteigen wollen, den sie gekommen war. Doch der Stein bröckelte unter ihren Fingern weg und sie rutschte nur nach unten. Sie hatte damals noch nicht gelernt zu springen und traute sich auch nicht, sich klein zu machen und wegzufliegen, weil der Wind aufgefrischt hatte und sie fürchtete, aufs Meer hinausgeweht zu werden. Also hatte sie an einen Felsen gedrückt hilflos dem rasch näher kommenden Wasser entgegengestarrt, bis ihr Vater kam, der sie suchte.
    »Rhosmari? Bist du da unten?«, schrie er. Er hatte die Hände trichterförmig an den Mund gelegt und ging am oberen Rand der Steilküste entlang. »Hab keine Angst, ich …«
    Da brach plötzlich der obere Rand des Steilhangs weg. Lehm und Steine stürzten wie ein Wasserfall in die Tiefe. Kiesel prasselten auf Rhosmari nieder und eine Staubwolke hüllte sie ein.

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