Rhosmari - Retterin der Feen
Handel?« Er zeigte auf Rhosmari. »Ich übergebe sie kampflos und ihr lasst mich dafür gehen.«
Rhosmari wollte erschrocken zurückweichen – und musste feststellen, dass sie die Beine nicht mehr bewegen konnte. Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie wollte sich losreißen, aber Martins Bindezauber war zu stark.
Jetzt war es an Corbin, zu lachen. »Siehst du, Byrne?«, sagte er zu seinem Bruder. »Er hat schon die halbe Arbeit für uns getan. Ach Martin, weißt du überhaupt noch, auf welcher Seite du stehst?« Er breitete die Hände aus. Magische Wellen hingen zwischen ihnen wie eine leuchtende Kette. »Wir jedenfalls dienen der Kaiserin, nicht unserem eigenen Vergnügen … und wir haben genug von deinem Taktieren.« Mit einem Ruck hob er die Hände und schleuderte den Zauber Martin entgegen.
Martin sprang gerade noch rechtzeitig zur Seite und versteckte sich hinter Rhosmari, wie um sie als Schild zu benützen. »Zähle bis zwanzig«, flüsterte er. Rhosmari spürte seine Hand auf dem Rücken und ein heißer Schauer überlief sie. »Dann lauf.«
Blitzschnell verwandelte er sich in einen Vogel und stürzte sich geradewegs auf die beiden Schwarzen Flügel.
So klein er war, Rhosmari hatte nie jemanden gesehen, der sich so schnell bewegte. Corbin riss die Hände einen Augenblick zu spät nach oben. Rot aufblitzend schnitt Martins Flügel an seiner Schläfe entlang und Corbin brach bewusstlos auf dem Pflaster zusammen. Der kleine Vogel wendete und sauste auf Byrne zu – doch der ließ sich nicht so leicht überrumpeln. Er feuerte einen Zauber ab, der an Martins Flügel entlangschrammte und Martin zur Seite schleuderte. Dann verwandelte er sich in einen Raben und flog auf Martin zu.
Flatternd stieg Martin auf, doch seine Flügel schlugen ungleichmäßig stark und er wurde rasch langsamer. Als die beiden Vögel den Himmel über den Dächern erreichten und in der Nacht verschwanden, hatte Byrne ihn schon fast eingeholt.
Starr vor Schreck stand Rhosmari auf dem Gehweg. Der andere Schwarze Flügel lag vor ihren Füßen. Ihre Brust schmerzte, ihre Muskeln fühlten sich an wie Pudding, und sie wusste, dass Corbin in wenigen Minuten wieder aufwachen würde. In Panik bot sie ihre ganze Zauberkraft auf und zerrte an ihren unsichtbaren Fesseln, um sich zu befreien.
Achtzehn, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Neunzehn, zwanzig …
Und auf einmal konnte sie sich wieder bewegen. Sie trat einen Schritt zurück, den Blick unverwandt auf Corbins bewegungslosen Körper gerichtet. Dann drehte sie sich hastig um und rannte weg.
Am vernünftigsten wäre es für sie vielleicht gewesen, Birmingham mit ihrem letzten Geld sofort zu verlassen. Aber sie hatte keine Ahnung, wohin sie fahren und was sie am Ziel tun sollte. Und wenn Martin es schaffte, dem Schwarzen Flügel zu entkommen, hätte er sie womöglich nicht gefunden.
Sie durfte ihn nicht im Stich lassen – nicht nach dem, was er für sie getan hatte.
Seit ihrer Ankunft auf dem Festland hatte sie nicht mehr versucht zu springen, denn die meisten Orte, zu denen sie fuhr, kannte sie nicht, und an den wenigen anderen gab es zu viele Menschen. Doch jetzt stellte sie sich in ihrer Verzweiflung das kleine Hotel vor, in dem sie die vergangenen beiden Nächte verbracht hatte, und sprang in seine Richtung. Sie landete vor dem Eingang, rannte die Treppe zu ihrem Zimmer hoch, schloss die Tür hinter sich ab, machte das Fenster zu und belegte beides mit einem Abstoßungszauber, der alle Besucher außer Martin davon abhalten würde, Tür oder Fenster zu berühren. Dann löschte sie das Licht, machte sich unsichtbar und wartete.
Zwei Stunden lang lag sie auf dem schmalen Bett und lauschte auf jedes Geräusch ihrer Umgebung – jeden Schritt auf der Treppe, jede Stimme im Flur und jeden Rums und jedes Husten aus einem der beiden Nachbarzimmer. Der Verkehrslärm der nahen Straße dröhnte ihr wie unheilvoller Donner in den Ohren und sie zuckte bei jedem Schatten zusammen, der am Fenster vorbeistrich.
Nach einer Weile gewann ihre Müdigkeit die Oberhand und sie sank in einen unruhigen Halbschlaf. Da klopfte es am Fenster. Sofort war sie hellwach. Sie riss den Vorhang zur Seite. Auf der Fensterbank draußen hockte schwer atmend der kleine Vogel, in den Martin sich verwandelt hatte. Ein Flügel stand schräg vom Körper ab und die Federn an seinen Schultern waren mit Blut verklebt.
Rhosmari schob das Fenster auf und holte ihn herein. Sie setzte ihn an die Bettkante und trat zurück und
Weitere Kostenlose Bücher