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Richard Dübell

Richard Dübell

Titel: Richard Dübell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allerheiligen
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Bruder das Gerät. Dieser schaltete es aus und steckte es in die Dokumententasche seines Schlafsacks.
    »Ich hab nur versucht, Natalie zu erreichen«, sagte Eric.
    »Und ich hab dir verboten, es zu tun.«
    »Warum geht sie nicht ran?«
    »Weil ich das Handy nicht mit ihr zusammen eingesperrt habe, du Pfeife«, versetzte Konstantin, der Natalies Handy ausgeschaltet, die SIM -Karte vernichtet und Akku und Gerät in einem unbeobachteten Moment an getrennten Stellen in der Isar versenkt hatte. »Und weißt du, warum ich dir verboten habe, sie anzurufen? Weil sich die Anrufe zurückverfolgen und der Aufenthaltsort des Anrufers ermitteln lassen!«
    »Aber das kann doch nur die Polizei! Und warum sollte die Polizei Natalies Handy untersuchen?«
    Konstantin erkannte, dass er seinen Bruder als zu dämlich eingeschätzt hatte. »Es geht nicht um Natalies Handy, sondern um deines«, sagte er und ließ sich nicht anmerken, dass er hastig improvisierte. Eric war ein Waschlappen, aber selbst er, Konstantin, konnte nicht wissen, was sein Bruder tun würde, wenn er erfuhr, dass seine Freundin nur noch ein Blutfleck an der Wand seines Übungsraums war. »Wer weiß, ob die Polizei nicht schon lange Verdacht gegen dich geschöpft hat? Ich kann ja nicht sagen, welche Fehler du gemacht hast seit der Sache in Wittenberg. Und es muss ja selbst den dümmsten Polizisten klar sein, dass ein Sankafahrer in die Angelegenheit verwickelt war.«
    Eric schwieg so lange, dass Konstantin wusste, er hatte einen Nerv getroffen. Eric hatte Angst. Konstantins Anspannung ließ nach. Schließlich hörte er, wie Eric seufzte und sich durch die Dunkelheit zu seinem Lager zurücktastete.
    »Ich hab Schiss«, sagte Eric nach einer Weile.
    »Du hast dein ganzes Leben lang schon Schiss«, entgegnete Konstantin. »Unserem Vater bist du Tag und Nacht in den Hintern gekrochen vor lauter Feigheit.«
    »Seine ganzen Theorien haben mich doch gar nicht interessiert«, flüsterte Eric. »Ich wollte doch nur … ich wollte …«
    »Du wolltest doch nur seine Liebe«, vollendete Konstantin. Er stellte fest, dass er sich statt spöttisch, wie er hatte klingen wollen, eher mitleidig angehört hatte. Es weckte seinen Zorn.
    »Bei Natalie habe ich die Liebe gefunden«, sagte Eric.
    »Ich wäre stolz darauf, wenn ich du wäre«, gab Konstantin sarkastisch zurück.
    Eric sagte: »Du … du hast Natalie nichts getan, oder?«
    »Verdammt noch mal«, zischte Konstantin, der seine aufschäumende Wut nicht mehr im Zaum halten konnte, »deine Natalie vögelt mit irgendwelchen Kerlen rum, die sie im nächstbesten Dreckloch von Disco aufreißt, und du machst dir auch noch Sorgen um sie.«
    Eric schwieg. »Geht es Natalie wirklich gut?«, fragte er dann.
    Konstantin erwiderte nichts darauf. Nach einiger Zeit gab Eric ein Geräusch von sich, das Konstantin als unterdrücktes Schluchzen interpretierte. Es war ein Geräusch aus der Kindheit: Eric, der vergeblich versuchte, sich das Weinen zu verbeißen, um Konstantin, mit dem er ein Kinderzimmer teilte, nicht aufzuwecken. Eric, der verzweifelt darüber war, dass er irgendetwas getan oder nicht getan und damit ihren Vater enttäuscht hatte, zu dem er aufsah wie zu einem Gott.
    Das Geräusch heizte die Wut, die Konstantin empfand, nur noch weiter an – die Wut, die ebenso aus der Kindheit aufstieg wie die Erinnerung an das Weinen seines kleinen Bruders. Sie brannte umso mehr, da er beinahe Mitleid mit Eric empfunden hätte. Aber er war kein Mitleid wert.
    Konstantin sagte es sich vor, bis er einschlief.

Samstag
    20 . Juli
49 .
    Peter schwamm aus einem Traum empor, den er vergaß, kaum dass er wieder halbwegs bei Bewusstsein war. Stattdessen setzte die Erinnerung ein, und er keuchte.
    Die Stimmen aus dem Wohnzimmer mussten ihn geweckt haben. Aber sie waren zweitrangig. Das einzig Wichtige war …
    Er richtete sich im Bett auf und hielt den Atem an, bevor er zur anderen Seite hinüberschaute. Es war genau wie beim ersten Mal, als er neben Flora erwacht war und sie noch geschlafen hatte. Sie lag ruhig auf dem Rücken, die Decke nur bis zur Hälfte des Oberkörpers hochgezogen. Das weiße T-Shirt, das Peter ihr gegeben hatte, kontrastierte mit dem samtig dunklen Teint ihrer bloßen Arme, ihr mahagonifarbenes Haar war eine Woge aus schimmernden Strähnen auf dem Kopfkissen. Flora schlief mit der lang ausgestreckten Haltung einer Königin, ihr Gesicht war auch im Schlaf von einer überragenden Schönheit, die Augenbrauen perfekte Schwünge,

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