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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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dessen Meinung mich kümmert«, stellte Slatin klar. »Außerdem: Sehe ich aus wie ein Mensch, der unter Wasser geht?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Eben. Ich wäre nie so verrückt, auch nur eine meiner Zehen in einen Bach zu stecken. Schon gar nicht bin ich bereit, mich – wie ein mit der Heckenschere abgeschnittenes Stück Obst – mitten in einen Ozean fallen zu lassen. Ohne Boden unter den Füßen, vielleicht hundert Meter unter sich, vielleicht ein paar Tausend. Mir graut bei der Vorstellung. Die Fotos draußen an der Wand, Sie haben sie gesehen, die kommen mir wie eine Warnung vor. Nur nie ins Wasser gehen. Auch nur seinen Fuß in einen Tümpel setzen gehört zu den unheimlichsten Handlungen, zu denen sich Menschen, Gott weiß warum, hergeben. Wer bis zum Bauch im Meerwasser steht, kommt nicht umhin – da kann er noch so sehr einen auf lustig machen –, sich höchst unwohl zu fühlen, so, als befinde er sich mit beiden Beinen in einem fremden Grab, zumindest in einer undefinierbaren Sphäre von Jenseitigkeit. Die Leute aber, die mit Hilfe von Neoprenanzügen, Masken und Sauerstoffgeräten versuchen, den natürlichen Ekel vor dem Wasser zu überwinden, radikalst zu überwinden, verlieren nach und nach ihren Verstand und damit auch ihre Furcht. Wer einem Taucher begegnet, hat zumeist das Gefühl, es mit einem debilen Astronauten zu tun zu haben, der zu lange im All war. Nein, ich sage Ihnen, wer einen intakten Verstand besitzt, der fürchtet das Wasser, der fürchtet Fische, kleine wie große. Und der fürchtet sich vor allem vor der Dunkelheit, welche in erster Linie ein jedes Wasser beherrscht. Es genügt, den eigenen Kopf in der Badewanne unterzutauchen. Kein Mensch hält das lange aus, von der Atmung einmal abgesehen.«
    »Wenn man Ihnen zuhört, fragt man sich, wie Sie dann ausgerechnet auf den Hai kamen.«
    »Nun, ich habe als junger Mann Ozeanographie in Chicago studiert. Nicht aus Begeisterung für die Materie, sondern für die Stadt. Ich war ein dürftiger Student, unbegabt, uninteressiert, aber auch irgendwie konsequent. Konsequent aus der Not heraus. Manche Leute sind fleißig, weil ihnen für die Faulheit ein passendes Konzept fehlt. Jedenfalls kam ich so weit, eine Doktorarbeit schreiben zu müssen. Und zwar über Haie. Das war keineswegs meine eigene Idee gewesen. Für eine eigene Idee hatte es mir an Leidenschaft gefehlt. Das war vor 1975. Haie als Thema waren noch nicht so gänzlich ausgelutscht und popularisiert. Meine Aufgabe bestand darin, ein Verzeichnis über sämtliche Makrelenhaie zu verfassen und dabei neue Erkenntnisse der Verhaltensforschung einzuflechten. Wobei niemand von mir eine aufregende Theorie erwartet hat. Warum denn auch? Ich war ein Streber und keine Koryphäe. Und vor allem wasserscheu. Ein wasserscheuer Streber.
    Also habe ich mich brav hingesetzt und wie ein Buchhalter gearbeitet. Aber dann hat es mich eben doch gereizt. Jeder Streber, jeder Buchhalter hat so einen Moment. Und ich habe diesem Reiz nachgegeben. Ohne über einen echten Hinweis zu verfügen, nahm ich in mein Verzeichnis einen Fisch auf, von dem ich behauptete, er müsse existieren, auch wenn er noch nie gesichtet worden sei. Ja, ich erfand einen Hai, nannte ihn Schwarzhai und beschrieb ihn als einen reaktionsarmen, massigen Tiefseeschwimmer mit ungewöhnlich breitem Maul. Wobei ich mir als Höhepunkt dieses Entwurfs den Umstand ausdachte, daß dieses dramatische breite Maul in seinem Inneren mit einer Silberschicht bedeckt sei, welche der Anlockung von Nahrung diene. Ich benahm mich geradezu literarisch, indem ich diese Beschichtung mit einem Spiegel verglich, in den der Betrachter quasi hineinfalle. Ich bemühte Mythen, bemühte den Cocteaufilm Orphée , bemühte aber auch eine konstruierte Logik. Ich behauptete die Existenz dieses Fisches als notwendig, als unumgänglich, weil er ein fehlendes Glied innerhalb der Haifischarten darstelle. Mein Doktorvater war mehr als erstaunt. Eine solche Verrücktheit hätte er mir niemals zugetraut. Keine Ahnung, was ihn antrieb, meine Arbeit zu akzeptieren und sogar ihre Veröffentlichung zu fördern. Und dann kam also Steven Spielbergs Film, und die Leute kauften auch wissenschaftliche Bücher über Haie. Ich wurde bemerkt und kritisiert. Man belächelte meinen Schwarzhai. Ich lächelte zurück, das war’s auch schon. Und dann kam 1976. Vor Hawaii zog man einen Fisch nach oben, wie noch nie zuvor einer gesehen worden war. Ein Hai, schwarz und breitmaulig. Sie können

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