Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
es sich denken: Seine Mundhöhle funkelte in Silberfarbe. Eine Sensation. Eine wahre Sensation. Niemand war so überrascht wie ich selbst. Eine verrückte Sache, plötzlich galt ich als Wunderkind der Meeresbiologie. Verstehen Sie, es blieb mir gar nichts anderes übrig, als mich weiterhin mit Haien zu beschäftigen. Das wurde von mir erwartet. Im Grund erfülle ich bis heute diese Erwartung und tue es nicht einmal ungern. Bloß, daß ich mich, seitdem ich wieder in Wien bin, aus dem universitären Betrieb heraushalte und mein Geld damit verdiene, mit alten Drucken zu handeln. So, wie ich mich auch aus dem Wasser heraushalte. Was natürlich dazu führt, daß die Leute meinen, ich sei überheblich.«
    »Ja, das drängt sich ein wenig auf«, fand Lukastik.
    »Ich kann nicht schwimmen«, erklärte Slatin. »So einfach ist das. Und Gott hat mich davor bewahrt, es lernen zu wollen. Ich brauche keinen Hai zu streicheln, um mir über sein Wesen eine Meinung zu bilden. Es genügt, sich die Lügengeschichten jener anhören, die da als kleine Jacques-Yves Cousteaus das Meer verschmutzen. Cousteau – ein schlimmer Franzose. Er hat großen Schaden angerichtet mit seinem dummen Ehrgeiz. Er hat die Leute in Massen ins Meer getrieben. Heute taucht schon jeder Hausmeister.«
    »Ohne diese Leute würden Ihnen die Informationen fehlen.«
    »Das stimmt. Es wäre besser gewesen, ein Studium zu betreiben, das ohne Wasser auskommt. Ein Haibiologe, der nicht schwimmen kann, klingt abartig. Aber Sie sehen ja, ich habe es mir ganz gut eingerichtet. Ich verdiene mein Geld nicht mit Wissenschaft, sondern mit dem Verkauf alter Graphiken. Über Haie äußere ich mich rein privat.«
    »Und der Schwarze Hai?«
    »Man hatte geplant, ihn nach mir zu benennen, hat sich dann aber für Großer Gähner des offenen Meeres entschieden. Was soll’s? Die Leute vom Fach wissen ganz gut, der Fisch ist mein Fisch. Er war in meinem Kopf, da gab’s ihn noch gar nicht. Seither hat alles, was ich zum Thema Haie von mir gebe, eine spezielle Bedeutung. Selbst wenn ich Unsinn rede, werden die Leute hellhörig. Man kann ja nie wissen.«
    »Ich hoffe, es war kein Unsinn, den Sie mir  …«
    »Keine Angst. Meine Analyse ist korrekt. Allerdings würde ich doch gerne den Leichnam sehen.«
    »Das läßt sich machen«, sagte Lukastik. »Heute abend noch? Oder morgen früh?«
    »Man soll nichts aufschieben«, meinte Slatin.
    Lukastik warf einen Blick auf seine Uhr. Es ging auf fünf zu. Er mußte noch ins Büro, um Jordan und die anderen zu unterrichten und die weitere Vorgangsweise zu besprechen. Um sieben wurde er zu Hause zum Abendessen erwartet. Wie Dr. Paul hatte er diesbezüglich einen täglichen Termin, den er sich bemühte einzuhalten. Freilich waren die Folgen seiner Disziplin nicht ganz so erfreulich wie im Falle des Polizeiarztes. Niemand liebte Lukastik, nur weil er die Regel befolgte, zum Abendessen zu erscheinen. Nun, es war ja auch nicht seine Ehefrau, die ihn erwartete.
    »Ich könnte Sie«, schlug der Chefinspektor vor, »um acht herum von hier abholen und zu unserer Leiche bringen. Wenn Ihnen das nicht zu spät ist. Vielleicht möchte auch Dr. Paul dabeisein.«
    »Wenn er will«, sagte Slatin. »Aber nötig wird es nicht sein. Es gibt nichts, was er mir erklären könnte. Er ist ein netter Mann, nicht dumm, aber bei Gott kein Meister der Anatomie.«
    Lukastik verwies darauf, daß die Leiche noch ungeöffnet sei. Soweit man das bei derartigen Verletzungen sagen könne. Jedenfalls würde keine Sektion ohne Einverständnis der Staatsanwaltschaft erfolgen. Einer Staatsanwaltschaft, von der man bisher noch keinen Mucks gehört habe.
    »Gut«, sagte Slatin, »holen Sie mich ab. Acht Uhr.«
    »Acht Uhr«, wiederholte Lukastik und erhob sich.
    Als er bereits an der Wohnungstür stand, wandte er sich um, streckte seinen Arm aus, öffnete die Hand und sagte: »Meinen Zahn! Bitte, Herr Slatin.«
    » Ihr Zahn?«
    »Sie wollen ihn doch nicht etwa behalten?«
    Slatin öffnete die Hülse, ließ den halben Zahn hineingleiten, verschloß das Behältnis und legte es in Lukastiks wartender Hand ab.

4       »Der Zahn zum Hai«, sagte Lukastik und plazierte das Fragment einer dreieckigen Form mit der schmalen Unterseite in die Mitte seines Schreibtisches, und zwar mit einer Vorsicht, als komplettiere er ein Kartenhaus. Das Objekt blieb stehen.
    »Und das Ohr zur Leiche«, ergänzte die Frau, die ihr blondes Haar wie ineinander verschalte Blütenblätter trug.

Weitere Kostenlose Bücher