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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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nehmen, die zusammen mit einem Sofa und einem als Tisch fungierenden, roh behauenen Steinblock eine seitliche Sitzgruppe bildeten. Das Sofa allerdings war besetzt, zwei Hunde lagen darauf. Eigentlich lag nur der eine davon, ein Dobermann, der sich zu keiner anderen Regung bequemte, als Lukastik aus dem Augenwinkel heraus zu betrachten. Das andere Tier jedoch hatte sich aufgerichtet, wenn man überhaupt von einem Tier sprechen konnte, denn wie alle Chihuahuas – die kleinsten der sogenannten Begleiterhunde – besaß auch dieses Exemplar eine ziemlich unanimalische Ausstrahlung, erinnerte eher an eine lebendige und ausgesprochen nervöse Damenhandtasche.
    Mit einem basedowschen Gesichtsausdruck trippelte der kleine Kerl wie wild auf seinen dünnen Beinchen, und durch sein halb geöffnetes Maul kam ein kehliges Geräusch, welches Lukastik kaum zu interpretieren wagte. Nicht, daß er sich vor einem Hund als Accessoire fürchtete. Es war der benachbarte Dobermann, der ihm zu schaffen machte. Sein Respekt vor solchen Viechern war beträchtlich. Er hielt es für ein Gebot der Vernunft, gefährlichen Kreaturen – also nicht nur Haien – aus dem Weg zu gehen. Vor allem dann, wenn sie so aussahen, als hätten sie eine Abrichtung hinter sich. Abrichtungen führten dazu, daß das Unkalkulierbare im Wesen der Tiere nur noch verstärkt wurde. Lukastik wußte, wovon er sprach. Er kannte Polizeihunde. Und er kannte Polizeihundausbilder. Wenn er an diese Verbindung von Mensch und Tier dachte, wurde ihm übel.
    »Setz dich, Bacon«, befahl Dr. Gindler in Richtung des kleinen Hundes, der sein Getänzel augenblicklich unterbrach, den Kopf in eine schräge Position brachte, sich einmal um die eigene Achse drehte, um sodann – ähnlich wie ein Rehkitz – in die Knie zu gehen und sich gegen den Hals des Dobermanns zu schmiegen.
    Bacon also? Lukastik hielt es für einen groben Unfug, wenn Akademiker sich davor scheuten, ihre Haustiere mit den gebräuchlichen Koseformen zu versehen, und statt dessen die Namen berühmter Persönlichkeiten bemühten.
    »Welcher Bacon?« fragte Lukastik.
    »Bacon, der Hund«, sagte die Ärztin.
    »Ich meine   …«
    »Sie meinen wahrscheinlich, an welchen Herrn Bacon ich dachte, als ich dieses kleine Scheusal getauft habe. Nun, ich dachte an Francis Bacon. Nicht den Maler, sondern den Philosophen. Und weil die beiden Köter sich so gut verstehen, heißt der andere Burton. Nach Robert Burton, auch ein Philosoph und Zeitgenosse Bacons.«
    »Ich weiß, wer Robert Burton ist«, erklärte Lukastik mit beleidigter Miene. Er konnte es nicht ausstehen, wenn man ihn für ungebildet hielt. Weshalb er jetzt betonte, wenig daran zu finden, einen dämlichen Dobermann nach dem Autor der Anatomie der Melancholie zu benennen.
    »Sie kennen den Hund nicht«, meinte die Frau. »Er pflegt in Anfällen von Melancholie richtiggehend zu schwelgen. Ganz im Unterschied zu unserem Zwergterrier Bacon. Der ist ein fröhlicher Choleriker. Die beiden ergänzen sich. Aber ich gebe Ihnen recht, wenn Sie sich an den Namen der Hunde stoßen. Ich war ein wenig hilflos, als ich mich entscheiden mußte. Der Wahnsinn besteht ja darin, überhaupt einem Tier einen Namen zu geben und somit eine Beziehung herzustellen, die etwas Schamloses besitzt. So wie es schamlos ist, daß die beiden hier auf dem Sofa sitzen. Ohne Namen wäre das undenkbar. Hunde gehören auf kein Sofa. Aber Geschöpfen, die Bacon und Burton heißen, ganz gleich, ob es sich jetzt um Philosophen oder Kläffer handelt, kann man unschwer verbieten, auf einer Lederbank Platz zu nehmen.«
    »Sie machen sich über mich lustig«, stellte Lukastik fest.
    »Keineswegs. Setzen wir uns doch.« Dr. Gindler wies auf jenen der beiden Fauteuils, der näher bei Burton und Bacon stand.
    »Der andere Sessel wäre mir lieber«, sagte Lukastik.
    »Wie Sie wollen.«
    »Mir scheint«, bemerkte Lukastik, während er sich vorsichtig niederließ, »als würden Sie Ihren eigenen Hunden nicht trauen.«
    »Sie sind mir unheimlich. Es sind die Hunde unserer ehemaligen Köchin. Als sie verstarb, war niemand bereit, sich um die beiden zu kümmern. So wenig, wie jemand sagen konnte, auf welche Namen sie eigentlich hören würden. Was natürlich unglaubwürdig ist. Aber es wollte eben niemand etwas mit der Sache zu tun haben. Nun gut! Ich bin die Chefin in diesem Haus. Wenn es eine Schwierigkeit gibt, erwartet man, daß ich sie löse. Und das habe ich getan. Was zur Folge hat, daß die beiden

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