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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Ecke stehende Uniformierte herbei, erklärte, wer er sei, und wies die beiden an, auf den Wagen achtzugeben.
    »Wie lange?« fragte der eine von ihnen.
    »Wie lange«, stellte Lukastik eine Gegenfrage, »benötigt ein auf eine Schreibmaschine hämmernder Schimpanse, um ein Stück von Shakespeare aufs Papier zu bringen?«
    Der Polizist lief rot an. »Wollen Sie mich als einen…«
    »Nein, will ich nicht. Ich will nur sagen, wie schwierig es ist, zu beurteilen, wieviel Zeit etwas in Anspruch nehmen wird. Seien Sie also so freundlich und passen exakt so lange auf den Wagen auf, bis ich wieder zurück bin, wann immer das sein wird. Könnte ich es Ihnen jetzt schon sagen, würde es ja trotzdem nicht kürzer werden.«
    Bevor der rot angelaufene Polizist etwas erwidern konnte, hatte sich Lukastik in Bewegung gesetzt. Er bog um die Ecke und gelangte auf die von Rasenflächen und gestutzten Bäumchen dekorierte Fläche zwischen den Gebäuden – das Grün. Licht aus einem wolkenlosen Himmel brannte auf die gezähmte Natur. Sonniger konnte ein Tag in Wien gar nicht mehr sein. Die Luft brodelte. Sie ging über wie der Schaum von Spaghettiwasser. Tatsächlich bemerkte Lukastik auf einer der Bänke einen alten, verwahrlosten Mann, der ein Hühnerei in die Höhe hielt. Und die Frage war somit die, ob er versuchte, es auf diese Weise auszubrüten oder weichzukochen.
    Lukastik wandte sich nach rechts und betrat das Museum. Er verzichtete darauf, sich als offizieller Ermittler vorzustellen, kaufte statt dessen ein Ticket. Es lag lange zurück, daß er hier gewesen war. Er konnte sich nicht mehr erinnern. War das überhaupt wichtig? War es wichtig zu wissen, wann man das letzte Mal im Theater gewesen war, das letzte Mal ein Vanilleeis gegessen hatte, das letzte Mal ein großzügiges oder gutmütiges Gefühl in sich getragen hatte? Na, ein bißchen wohl schon. Indem man nämlich derartige Abstände bemessen konnte, wußte man, wo man stand. Zehn Jahre kein Vanilleeis mehr gegessen zu haben bedeutete, daß ein Teil von einem gestorben war. Mehr als nur der Vanilleeisteil. Und daß man diesen Teil auch dann nicht zurückgewinnen könnte, wenn man sich jetzt gleich bis oben hin mit Vanilleeis vollstopfen würde. – Die eigentliche Frage, die sich Lukastik stellte, war die, ob er und seine Schwester wirklich eine Chance hatten. Ob nach all den Jahren die vergangene Nacht bloß als eine sentimentale Geste begriffen werden mußte. So schön und gelungen diese Nacht auch gewesen war. Aber was bewies das? Daß alles gut war, was kurz war?
    Lukastik trat in die Vorhalle, legte den Kopf zurück und blickte hinauf auf das hohe Gewölbe, das in seinem Zentrum einen kreisrunden Ausschnitt besaß, durch den man auf eine zweite, darüberliegende Kuppel sehen konnte. Das hatte etwas von einem atmosphärischen Loch, das den Blick auf einen erneuten Himmel freigab. Und nicht etwa auf ein dunkles Weltall, wie man hätte vermuten können. Dies war ein Gedanke, der Lukastik jetzt durch den Kopf ging, daß sich hinter jedem Himmel ein weiterer Himmel verbarg, daß der Kosmos eine Zwiebel war.
    Auf diese Weise – so schauend und so denkend – wurde ihm schwindelig. Er hörte damit auf und stieg die pompöse Treppe nach oben.
    Vorbei am Café, betrat er den ersten Schauraum. Es war eine Erlösung, an diesem viel zu hellen, viel zu warmen Tag in solch hohe, kühle Räume zu gelangen, hinein in das gedämpfte Licht, welches etwas von einem Sonnenuntergang auf dem Mars hatte. Sicher kein optimales Licht für die Betrachtung der Gemälde, aber ganz wunderbar geeignet für die Augen der Betrachter. Dazu noch die wirklich bequemen Sitzbänke, die sich auch bestens als Schlafbänke geeignet hätten. Überhaupt war dieses Museum trotz aller Meisterwerke mehr ein Museum zum Sitzen und Dösen und Träumen als zum Schauen.
    Lukastik sah auf die Uhr. Er hatte noch zehn Minuten, um das Gemälde zu finden, vor dem er sich mit Grünberg treffen wollte, jenes Bildnis eines weißbärtigen Mannes von Tintoretto. Nicht, daß Lukastik wußte, wo das Bild hing. Auch nutzte der von Thomas Bernhard so oft erwähnte Verweis auf den Bordone-Saal wenig, da die Räume bloß mittels Nummern unterschieden wurden. Freilich, Lukastik hätte einen Museumswärter fragen können. Aber er wußte um die herablassende Art dieser Leute, vor allem gegenüber einem Einheimischen, von dem man praktisch verlangte, daß er sich hier auskannte wie in seinem eigenen Viertel. Ein Mensch, der in einer

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