Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz
Marlies Herstal sein. Und genau das war es ja gewesen, was Lukastik Olander empfohlen hatte: sich an diese U-Boot-Frau anzuhängen.
»Was hat er Ihnen bezahlt?« fragte Lukastik.
»Genug«, antwortete der junge Mann und schlüpfte in eine Hose.
»Hat er Ihnen erklärt, warum er so begierig auf die Figuren ist?«
»Nein. Jedenfalls bin ich froh, das Zeug los zu sein. Ich habe mich nie damit wohl gefühlt. Staubfänger. Unheimliche Staubfänger.«
»Gibt es noch etwas, daß Sie mir sagen möchten?« Lukastik zeigte mit dem Finger auf die nackte Brust des jungen Mannes.
Statt zu antworten, fragte der junge Mann: »Worum geht es überhaupt?«
»Um nichts«, antwortete Lukastik, nahm den Finger herunter und verließ die Wohnung.
Er saß eine ganze Weile in Longhis Lancia und schaute auf den beinahe leeren Spielplatz. Ein einziges Kind hockte in der Sandkiste und versuchte mit einer viel zu großen Schaufel einen Berg zu bauen. Lukastik dachte nach. Offensichtlich hatten Dr. Grünbergs Drohungen Olander nicht wirklich beeindruckt. Anstatt die Giraffen-Figur an ihren Platz zurückzustellen, hatte Olander sich der ganzen Sammlung bemächtigt. Warum tat er das? Um Grünberg und die Colanino-Leute gegen sich aufzubringen? Weil er lebensmüde war? Oder glaubte er, daß diese Figuren aus Überraschungseiern ihm genau jenes Glück bescheren würden, auf das er in den letzten Jahren hatte verzichten müssen? Hoffte er, diese Äffchen könnten seine Löcher stopfen?
Dazu war dann freilich nötig, daß Olander eine vollständige Sammlung besaß. Eine Figur aber fehlte ihm. Der kleine, als Mensch verkleidete Ahne, den Lukastik noch immer in seiner Hosentasche trug. Die letzte Figur. Der letzte Affe.
Jemand klopfte gegen die Scheibe des Wagens. Lukastik drehte den Kopf nach links. Es war Longhi. Lukastik ließ das Seitenfenster herunter und sagte: »Haben Sie Angst um Ihren Wagen?«
»Das ist leider nicht das Problem.«
»Sondern.«
»Ich denke, daß Sie das ganz gut wissen. Man hat Dr. Grünberg gefunden.«
»Gefunden?«
»Machen Sie es mir nicht schwer«, bat Longhi.
»Ich befürchte, leicht wird es in keinem Fall werden«, prophezeite Lukastik.
»Also gut. Rücken Sie hinüber. Ich fahre. Denken Sie aber bitte nicht, Sie könnten mich austricksen.«
»Warum glauben Sie, ich könnte das wollen?« fragte Lukastik, während er auf den Beifahrersitz wechselte.
»Wenn Sie mir Ihre Schwester als Ihre Frau vorstellen, wie würden Sie das nennen?«
»Das können Sie nicht verstehen. Jedenfalls besitzt es keine Relevanz.«
»Na, es zeigt immerhin, wie Sie zu schummeln pflegen«, argumentierte Longhi und startete den Wagen.
Erneut fragte Lukastik, was das heißen solle: Man habe Grünberg gefunden.
»Er lag im Kofferraum Ihres Wagens.«
» Meines Wagens?«
»Des Wagens, mit dem Sie in Wien unterwegs sind, der BMW. Dieser Anwalt Grünberg steckte in einem Plastiksack. Zwei Kugeln.«
»Ich trage keine Waffe.«
»Natürlich, so dumm sind Sie nicht. Aber man hat Sie mit Grünberg gesehen. In einem Museum.«
»So dumm bin ich dann also schon, mich an einem öffentlichen Ort mit Grünberg zu treffen.«
»Keiner von Ihren Kollegen wußte von diesem Treffen.«
»Das kommt öfters vor, daß ich wo hingehe und mich vorher nicht abmelde. Sie machen das sicher auch so.«
»In meinem Wagen aber liegt kein Toter«, erinnerte Longhi.
»Ich will nicht zum Heulen und Jammern anfangen«, erklärte Lukastik, »aber jemand versucht mich hereinzulegen. Woher weiß man denn überhaupt, daß ich mit Grünberg zusammen war?«
»Es gibt Fotos. Offensichtlich wurden Sie beschattet.«
»Von wem?«
»Keine Ahnung. Ich bin nicht die österreichische Polizei. Ich leiste nur Amtshilfe, indem ich Sie jetzt zum Präsidium bringe. Wobei Sie es hoffentlich zu schätzen wissen, daß ich dazu weder ein Großaufgebot herbeizitiere noch Ihnen Handschellen anlege. Allerdings würde ich gerne wissen, was genau Sie in Straubs Wohnung zu tun hatten.«
Lukastik sagte es, erzählte von der Bedeutung der Colanino-Figuren, von Grünbergs leisen Drohungen und vom Verschwinden der Sammlung aus Straubs Wohnung.
Longhi lachte. Er lachte wie ein Stück sehr weicher Butter. Dann meinte er: »Wer soll Ihnen so was glauben?«
Ja, wer sollte ihm so was glauben?
Es versteht sich, daß Longhi viel lieber jene von rotem Lack glänzende Kneipe aufgesucht hätte, in welcher er auf eine tatsächlich mafios kardinalische Art residierte, als in die Zentrale zu
Weitere Kostenlose Bücher