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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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ungläubig.
    »Das ist mein Büro.«
    »Was für ein Büro?«
    »Ich dachte, Sie sind gekommen, um mir ein Geschäft vorzuschlagen. Dann muß das hier wohl ein Büro sein, nicht wahr?«
    »Hören Sie, das ist kein Spaß. Ich suche seit zwei Monaten nach meinem Kind. Denken Sie also nicht, daß ich…«
    Sie unterbrach ihn: »Wenn das kein Spaß ist, dann dürfen Sie auch nicht von einem Geschäft sprechen.«
    Olander tippte sich mit dem Finger zwischen die Augen, als markiere er eine Absturzstelle und sagte: »Sie haben recht.« Mit der Bewegung eines müden Zirkuselefanten nahm er zwischen einer Gruppe von Rüsseltieren und Langohren und Stupsnasen Platz. Er sah Pero lange an, dann fragte er: »Ist wirklich alles so geschehen, wie Sie es der Polizei berichtet haben?«
    Andrea Pero zögerte. Dann meinte sie: »Nicht ganz.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich riskiere viel, wenn ich mit Ihnen rede.«
    »Ich finde, daß Sie mir das schuldig sind.«
    »Wahrscheinlich schon.« Andrea Pero blickte kurz aus dem Fenster. Ein Sportflugzeug flog so knapp vorbei, als sitze darin ein winkender Verehrer. Die junge Frau wandte sich wieder an Olander: »Aber damit eines klar ist: Alles was ich jetzt sage, sage ich alleine Ihnen. Sie brauchen nicht glauben, Sie könnten mich damit zur Polizei schleppen. Ich werde denen immer nur das gleiche erzählen. Geht das in Ihren Kopf?«
    »Ja, in Ordnung. Reden Sie. Die Polizei braucht nichts davon zu erfahren. Ich glaube sowieso nicht, daß die mir helfen können.«
    »Das glaube ich auch nicht«, meinte Andrea Pero. Und  nachdem sie ein paar Kuscheltiere von einem zartrosa Plüschsessel geschoben und sich gesetzt hatte, wurde sie konkret: »Man hat mich angeheuert.«
    »Wofür?«
    »Dort zu stehen, wo ich gestanden bin. Als der Unfall passierte.«
    »Wie? Sie wußten, was geschehen würde?«
    Statt zu antworten, sagte Andrea Pero: »Ich frage Sie: Wo stirbt ein Taxifahrer normalerweise? Ich meine, wenn er nicht in seinem Bett stirbt.«
    »In seinem Taxi«, antwortete Olander.
    »Richtig.«
    »Wollen Sie mir damit sagen, daß…?«
    »Der Taxifahrer war das Ziel. Er sollte dran glauben. Und das tat er ja auch. Meine Aufgabe dabei war es, genau an diesem Nachmittag an dieser Stelle zu stehen, um später bezeugen zu können, daß das Taxi zu schnell unterwegs gewesen war. Daß in jedem Fall den Fahrer des Lasters keine Schuld trifft. Und im Prinzip alles seine Ordnung hat. Ein Verkehrsunfall. Ein ganz normaler Verkehrsunfall. Nichts scheint harmloser, als wenn ein Taxifahrer auf eine solche Weise stirbt. Es war ein gutes Timing. Diese Leute haben alles richtig gemacht. Nur eines nicht: mich zu engagieren. Dabei habe ich einen guten Ruf.«
    »Einen guten Ruf als was?«
    »Nun, als Zeugin natürlich. Jemand will, daß ich eine gewisse Geschichte erzähle. Also bestellt man mich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einen bestimmten Ort, und danach sage ich aus, was ich aussagen soll. Die Leute glauben mir. Die Polizei, die Richter, die Geschworenen. Oder auch nur die Privaten, denen ich ein Märchen auftischen soll. Daß ich diesen und jenen Menschen dort und dort gesehen habe. Daß dieser und jener das und das getan hat. Man sieht mich an und vertraut mir. Meistens.«
    Olander war perplex. Sollte das wirklich möglich sein, daß ein Mensch hauptberuflich als Zeuge arbeitete? Er schüttelte den Kopf und erklärte, sich nicht vorstellen zu können, wie so etwas funktionierte. Es müsse doch auffallen, wenn jemand immer wieder auf eine derartige Weise ins Spiel komme.
    »Sie überschätzen das Gedächtnis der Leute«, erklärte Andrea Pero. »Und Sie überschätzen das Gedächtnis der Computer. Das wird gerne ignoriert, die Demenz vieler Maschinen. Noch dazu eine Demenz, die nicht bloß erblich ist, sondern auch ansteckend. Außerdem sehe ich natürlich zu, daß sich alles die Waage hält und ich nicht zweimal hintereinander vor demselben Beamten auftauche. Ich bin Profi. Zumindest war ich es bis vor kurzem.«
    »Wie konnten Sie überhaupt wissen, wann genau das Taxi an diesem Platz vorbeikommt?«
    »Mein Auftrag«, erklärte die junge Pero, »lautete, mich im Zentrum bereitzuhalten. Ich bekam einen Anruf über mein Handy, und man hat mir gesagt, wo man mich haben wollte. Alles geschah so, wie es geschehen sollte. Ein Laster fährt in ein Taxi. Schicksal! Ich hätte nicht einmal richtig hinzusehen brauchen. Es hätte genügt, auf die Polizei zu warten, mich vor die Beamten zu stellen und ihnen meine

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