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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Frühstücksraum unten im Parterre, auf einen weiteren Wasserfund aufmerksam. Nicht größer als eine Untertasse, pures Wasser, wie es schien, und kein Hinweis darauf, wie es da auf den Parkettboden gekommen war. Frau Grong holte ihren Mann und gemeinsam blickte man auf die kleine Lache wie auf ein Weihnachtswunder.
    »Vielleicht von draußen«, meinte Job. »Bei dem Regen.«
    »Die Fenster sind aber die ganze Zeit geschlossen gewesen«, sagte seine Frau.
    »Na ja, es ist ja nur Wasser.«
    »Mir wäre ein Kothaufen, den ich mir erklären kann, lieber als Wasser, das ich mir nicht erklären kann«, äußerte Frau Grong.
    »Hast schon recht«, sagte ihr Mann, »aber die Polizei kann man trotzdem nicht rufen.«
    »Nein, natürlich nicht«, antwortete Frau Grong und trocknete die Stelle auf. Das Tuch warf sie weg. Wie man einen alten Verband wegwirft.
    Am nächsten Tag stieß die Aufräumefrau auf eine weitere unerklärliche Pfütze im Flur, und Job Grong stellte eine ebensolche am Fuße der Theke im POW! fest. Dies war so mysteriös wie unspektakulär. Nichts, weswegen man eine Behörde einschalten konnte. Oder auch nur einen Installateur. Ein Defekt war so wenig offensichtlich wie eine Unachtsamkeit. Nicht einmal ein Bubenstreich. Man hätte Gäste verdächtigen müssen, zahlende Gäste. Wäre es nicht Wasser gewesen, sondern wenigstens Urin, hätte man vielleicht etwas unternehmen können. Aber so…
    Das war ganz typisch für das Auftreten konkreter Zeichen, sie entzogen sich einer »Festnahme«. Es war eben nicht wie in Horrorgeschichten, wenn Blasen von Blut aus dem Abfluß eines Waschbeckens drangen und hochschossen und somit ganz klar wurde, daß hier einzig und allein das Böse am Werk sein konnte. Was aber war von dem bißchen Wasser zu halten, welches da unvermutet auftauchte? Also nicht etwa in der Luft schwebte oder mit einer deutlich zu vernehmenden Stimme Obszönitäten von sich gab, sondern in der allernormalsten Pfützenform virulent wurde und sich ohne jede Gegenwehr entfernen ließ. Solche Zeichen ließen den Betrachter völlig ratlos zurück. Im Unterschied zu Wundern, die man nimmt, wie sie sind. – Zeichen und Wunder verhalten sich zueinander wie Donald Duck und Mickey Mouse. Die Maus bewegt sich im Reich der Dichtung und entrückter Phantasie, die Ente aber lebt unser reales Leben. Als Ente! Die Ente verwirrt uns, die Maus nicht.
    Und noch etwas ist typisch für diese wirklichen Zeichen. Daß sie selten in Massen auftreten. Wie ja auch nicht ununterbrochen ein Stift vom Tisch rollt und nicht unentwegt ein vom Baum fallendes Blatt die gleiche Kontur besitzt wie das Profil des Menschen, der es gerade aufgehoben hat. Die Pfützen im Hotel Hiltroff und im POW! hielten sich in Grenzen. Darum auch sahen die Grongs keine andere Möglichkeit, als die zwei, drei Stück, die pro Tag auftraten, einfach fortzuwischen und den Hinweis mancher Gäste auf einen Wasserschaden zu ignorieren.
    Jene rosaäugige Biologin namens Marlies Herstal, die bereits mittags Anisschnäpse zu sich zu nehmen pflegte, verließ einen Tag, nachdem sie mit Olander bekannt geworden war, Hiltroff, gab Interviews in Köln und Berlin, besprach sich in München mit ihren Auftraggebern und kehrte fünf Tage später zu ihrem U-Boot zurück, und zwar mit erstaunlicher Präzision. Nämlich bezüglich des Wetters. Praktisch mit ihrem Eintreffen klarte es auf.
    Die Wolken trieben auseinander wie in einem Kinderspiel, wenn alle laut kreischend aus einem Kreis herauslaufen. Es war eine kräftige, geradezu bissige Sonne, die auf den Ort und die Umgebung fiel und die Dinge einweißte. Die Kameraleute legten Filter vor ihre Linsen, damit es nicht gar so hell und südländisch aussah. Man wollte hier schließlich keine Griechenlandwerbung machen, sondern eine als naßkalt verschriene Gegend präsentieren.
    Warum müssen U-Boote eigentlich immer gelb sein?
    Nun, dieses war es jedenfalls. Über lange Schienen glitt es ins Wasser, tauchte zu zwei Drittel ein, fuhr zur Mitte hin und versank mit einem unspektakulären Blubbern in der Tiefe des Sees. Die Wasserdecke schloß sich und wenig später auch die Wolkendecke. Der Tag gewann seine alte Farbe zurück, grau wie die Wand, gegen die einer läuft.
    Diesmal hatte der Bürgermeister den See freigegeben, weshalb eine Menge Einheimische und Fremde um das Wasser standen und nun auf die glatte, leere Oberfläche starrten. Doch nach und nach gingen die Schaulustigen dazu über, Lagerfeuer zu errichten und die

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