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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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ihnen vielleicht einmal klarmachen.
    Obgleich diese Frau den gesunden Teint eines Freiluftmenschen besaß, widersprachen ihre Augen dieser Gesundheit. Man kann sagen, ihre Augen waren blaß und müde, hübsch blaß und hübsch müde, sogar mädchenhaft, während der gesunde Rest ihrem Alter entsprach, auf eine gepolsterte Weise gefestigt. Die Augen aber schienen inmitten dieser Festigkeit einzustürzen.
    Sie stellte sich an die Theke und bestellte einen Pernot. Grong betrachtete sie streng. Er hätte gerne ein Lokalverbot ausgesprochen, aber das ging nun mal nicht. Also schenkte er ein, ein Glas mit Pernod, dazu ein zweites mit Wasser, und stellte beide vor die Frau hin. Sie dankte, blickte sich um, nahm die zwei Gläser und ging hinüber zu dem Tisch, an dem Olander saß.
    »Darf ich mich setzen?« fragte sie.
    Olander sah überrascht auf. Er hatte sie wirklich nicht bemerkt, war bereits ein wenig an den Schlaf gelehnt gewesen, welcher in ein paar Stunden folgen würde. Er griff nach der Kante des Tisches und versuchte seine Sprache zu finden.
    »Ich wollte Sie nicht belästigen«, sagte die Frau, und ihre Augen bildeten einen schmalen Schlitz, durch die ein feiner Wind blies, ein Wind nicht minder feiner Gedanken.
    Es war dieser Blick aus empfindlichen Augen – oder besser gesagt, die Hintertreibung eines Blicks –, von dem Olander sofort betört war. Diese Betörung zwang ihn rasch aus seinem Delirium heraus. Er nahm eine gerade Haltung an, fügte ein Lächeln in sein Gesicht und rief seine Sprache zur Ordnung. Die Sprache gehorchte. Olander sagte: »Bitte nehmen Sie doch Platz.«
    Was die Frau auch tat. Gleich als sie saß, füllte sie ihren Pernod bis zur Mitte des Glases mit Wasser auf, sodaß der Eindruck eines Zahnputzbechers entstand. Sie hob das Getränk ein wenig in Richtung Olander, welcher seinerseits mit seinem Portwein zunickte.
    »Sind Sie Journalist?« wollte die Frau wissen.
    »Sehe ich so aus?«
    »Sie sehen nicht so aus, als würden Sie aus der Gegend stammen.«
    »Nein, tue ich auch nicht. Aber ich lebe hier.«
    »Kann man denn in Hiltroff leben? Ich meine als Fremder.«
    »Finden Sie es denn so schrecklich?« fragte Olander.
    »Überhaupt nicht. Ich finde es ganz großartig, auch im Regen. Ich mag Wasser, in jeder Form und Gestalt. Ich frage mich nur, was man an so einem Platz tut, wenn man nicht dazugehört.«
    »Was tun Sie denn?« ging Olander den Weg der Gegenfrage.
    »Ich warte darauf, daß man mich in mein U-Boot läßt.«
    »Ach was!? Von dieser Partie sind Sie also.«
    »Haben Sie Probleme mit dieser Partie ?«
    »Och, wissen Sie«, meinte Olander, »die Sache mit dem U-Boot finde ich ganz gut. Wenn Sie Ihren Job ordentlich machen, ist nachher wenigstens klar, daß in dieser schwarzen Pfütze maximal ein paar Autowracks zu finden sind. Kein Nazischatz, kein Ungeheuer, keine Nixe, bloß ein paar unschuldige Pflänzchen.«
    »Ich dachte, hier im Ort glaubt jeder an das Tier.«
    »Wie Sie schon richtig sagten, ich gehöre nicht dazu.«
    »Dann müssen Sie mich für verrückt halten«, meinte die Frau und öffnete ein wenig den Schlitz ihrer Augen. Das schwache Braun der Iris verfügte über einen hellen, einen rosafarbenen Stich.
    »Wieso verrückt?« fragte Olander.
    »Na, wenn jemand in eine Tonne steigt und nach einem – wie Sie das nennen – Ungeheuer sucht.«
    »Nehmen Sie denn allen Ernstes an, daß Sie etwas finden werden?«
    Sie antwortete nicht direkt, sondern sagte: »Ich leide unter Klaustrophobie.«
    »Dann ist ein U-Boot aber ein schlechter Ort«, konstatierte Olander.
    »Üblicherweise tauche ich. Ich bin Meeresbiologin. Es treibt mich zum Wasser hin. Aber so frei ich mich darin fühle, so wenig mag ich mich in eine dieser Konservenbüchsen zwängen. Leider gibt es im jetzigen Fall keine Alternative. Das ist kein See zum Schnorcheln. Vor allem ist das keine Pfütze, wenn man bedenkt, wie tief es hinuntergeht. Wenn ich mir also antue, in ein solches Vehikel zu steigen, dann muß ich wohl die Hoffnung haben, daß es sich auch lohnt.«
    »Wahrscheinlich haben Sie recht«, sagte Olander. »Sie sind verrückt. Aber Ihre Augen gefallen mir trotzdem.«
    »Meine Augen?«
    »Das Rosa.«
    »Ach so. Es erkennt nicht jeder. Ein schwacher, auf den Augapfel beschränkter Albinismus.«
    »Ein schöner Albinismus«, stellte Olander fest.
    »Wollen Sie mit mir anbandeln?« fragte die Frau.
    »Es waren, glaube ich, Sie, die sich hergesetzt hat, oder?«
    »Schon gut. So ernst war es nicht

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