Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz
daß ich mit Andrea Pero nie geschlafen habe. Oder sonst was.«
»Ihre Exfrau ist aber auch ziemlich jung.«
»Das war ein Fehler, wie ich heute weiß. Jedenfalls sind junge Frauen nicht etwa eine Leidenschaft von mir. Es geht wirklich um etwas anderes… Ich werde es aber Ihnen und mir ersparen, jetzt wieder damit anzufangen, von einem Kind zu sprechen, an daß Sie nicht glauben wollen.«
»Ich würde gerne daran glauben. Geben Sie mir irgend etwas in die Hand. Einen kleinen Beweis. Ist das zuviel verlangt?«
»Wenn ich Clara gefunden habe, und Gott gebe, daß ich sie lebend finde, dann wird das genug Beweis sein.«
Lukastik seufzte. Das war ein unguter Fall. Denn dieser Vinzent Olander erschien ihm alles andere als jemand eindeutig Schizophrener. Natürlich war die Sache mit dem Kind Unsinn. Lukastiks Mitarbeiter hatten rasch belegen können, daß aus der Ehe zwischen Olander und Perrotti keine Kinder hervorgegangen waren. Übrigens auch aus keiner anderen Beziehung Olanders. Ebenso klar war, daß niemand von den Zeugen des Taxiunfalls in Mailand ein kleines Mädchen bei Olander gesehen hatte. Oder eine Frau, die ein solches Mädchen aus dem Wagen gehoben hätte.
Besonders irritierend war der Umstand, daß Vinzent Olander sich am Tage der Ermordung des anderen Unfallbeteiligten, To Albizzi, in dessen Appartement befunden hatte. Aber für diesen Mord gab es nun mal einen tadellosen Schuldigen, jenen geständigen Ehemann der Geliebten To Albizzis. Der kleine, dicke Mann war ein offenes Buch, das man schließen konnte. Wie schön!
Jetzt brauchte es noch einen ebenso tadellosen Mörder für den Fall Andrea Pero. Aber das war wohl ein Traum.
»Ich werde Sie vorerst nicht festnehmen«, sagte Lukastik. »Ich habe einfach zu wenig in der Hand. Lauter Indizien, wenig Spruchreifes. Aber glauben Sie nicht, daß Sie sich hinter Ihrem Irrsinn verstecken können.«
»Verstecke ich mich denn?« fragte Olander und breitete die Arme weit aus.
»Indem Sie von einer Tochter sprechen, die Clara heißt…«
»Wenn Sie wollen, kein Wort mehr über Clara.«
»Also gut. Halten Sie sich zur Verfügung. Ich meine, daß Sie den Ort nicht verlassen dürfen.«
»Sie belieben zu scherzen. Ich halte mich seit drei Jahren zur Verfügung«, sagte Olander. »Und habe seit drei Jahren den Ort nicht verlassen.«
Nun, das stimmte. Grong hatte es schon zuvor erwähnt, wie offenkundig sich Olander in diesen Jahren präsentiert hatte. Wie sehr er stets bemüht gewesen war, auf sich aufmerksam zu machen. Da zu sein, wenn man ihn rufen würde. Nur, daß niemand ihn gerufen hatte.
Lukastik wollte sich gerade erheben, da betrat Marlies Herstal das POW!. Für die nächsten Tage war ein letzter Tauchgang geplant, da man noch einmal versuchen wollte, Spuren im Bereich der Fundstelle zu entdecken. Daneben sollten zusätzliche Proben aus dem Bodenschlamm des Mariensees entnommen werden. Herstal hatte den ersten Schock ganz gut weggesteckt. Sie war entschlossen, sich den naturwissenschaftlichen Zauber dieses Sees nicht von einem Kriminalfall rauben zu lassen und eine fortgesetzte Erforschung des schwarzen Gewässers zu betreiben.
Auch sie war im Hotel Mariaschwarz untergekommen, plante jedoch ins Hiltroff umzuziehen. Sie mochte die Grongs, ja und sie mochte Olander. Lukastik aber mochte sie nicht. Lukastik war einfach kein Frauentyp, obgleich er nicht unattraktiv war. Aber die Frauen spürten seine Kälte, sein geometrisch-philosophisches Wesen, trotz Abkehr von Wittgenstein. Sie spürten, daß dieser Mann für das richtige Gemälde an der Wand sofort eine potentielle Geliebte geopfert hätte. Und so was konnten Frauen nun mal nicht leiden.
Lukastik blieb sitzen. Er hatte keine Ahnung gehabt, daß Marlies Herstal diesen Olander kannte, was augenscheinlich der Fall war. Herstal nahm bei den beiden Männern Platz und bekam auf ein kleines Zeichen hin ihren Pernod serviert. Es war etwas sehr Vertrauliches an der Art, in der sie mit Olander sprach und von einer neuen Erkenntnis ihre Süßwasserschnecke betreffend erzählte, während der Ton, in dem sie Lukastik anredete, so trocken und kühl war, wie Marlies wohl meinte, daß Lukastik trocken und kühl war.
Was Lukastik in keiner Weise störte. Er gehörte zu den Menschen, die nicht den geringsten Wert darauf legten, beliebt zu sein. Er war kein Fußballer, kein Schlagersänger, keine duftende Blüte und kein futterabhängiges Schoßhündchen.
Hingegen störte es ihn absolut, und zwar aus
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