Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz
Man saß in einer hinteren Ecke mit Abstand zu den restlichen Tischen. Wenn ein Kellner erschien und etwas servierte, tat er das, als laufe er barfüßig über heiße Kohlen.
Longhi stocherte in einem weichen Ei herum. Es sah nicht aus, als wollte er es essen. Nur ein bißchen sekkieren. Er sagte, in das mißhandelte Ei schauend, aber Lukastik meinend, weil er ja sonst kaum sein gutes Deutsch benutzt hätte: »Können Sie ihn überführen?«
»Im Moment sieht es schlecht aus«, gab Lukastik zur Antwort. »Olander hat nichts getan, was ihn wirklich belastet. Er kannte Frau Pero, das ist richtig. Und Frau Pero reiste offenkundig nach Hiltroff. Aber wir können so wenig ausschließen, daß sich Andrea Pero das Leben genommen hat, wie, daß jemand ganz anderer, jemand, von dem wir noch gar nichts wissen, das Verbrechen begangen hat. – Ich würde sehr gerne mit Olanders Exfrau sprechen. Können Sie ein Treffen arrangieren?«
»Ich habe das bereits veranlaßt. Frau Perrotti ist am Vormittag in der Scala beschäftigt, aber mittags hat sie Zeit. Passen Sie aber auf, die Dame ist kein Zuckerschlecken. Wenn sie nichts sagen will, sagt sie nichts. Doch sie weiß natürlich auch, daß sie mit uns reden muß, daß sie mit Ihnen reden muß. Ein bißchen zumindest.«
»Gut«, sagte Lukastik, trank den schwarzen, bitteren Kaffee, der wie ein hochkonzentrierter Mariensee in der kleinen weißen Schale schwamm, und erkundigte sich nach dem Unfall damals vor vier Jahren, nach dem Taxifahrer und dem anderen Mann, To Albizzi.
»Was soll ich sagen?« meinte Longhi und streute Pfeffer in das Ei, wie man sagt, jemand streue Salz in eine offene Wunde. »Es scheint ein simpler Unfall gewesen zu sein. Ich habe den Fall zunächst nur darum untersucht, weil wir diesen Taxifahrer, Giorgio Straub, schon seit Monaten unter Beobachtung hatten. Er hat Drogen verteilt. Die Kunden vom Flughafen abgeholt und quasi mit der Taxirechnung den Stoff übergeben. Meistens an Leute aus dem Showgeschäft, Künstler, Architekten, Modemenschen natürlich und so weiter. Darum waren wir an ihm dran.«
»Soll das heißen, Sie haben diesen Straub beschattet, als Vinzent Olander in sein Taxi stieg?«
»Richtig. Wir haben eine Liste der Leute angelegt, die Straub befördert hat. Befördert und beliefert.«
»Was denn? Olander ein Konsument? Ich hatte nie den Eindruck, er wäre süchtig. Ein Trinker, das schon. Aber keine Drogen.«
»Da liegen Sie richtig. Vinzent Olander scheint ein ganz normaler Taxikunde gewesen zu sein. Aber als dieser Unfall dann geschah – der Wagen mit unseren Leuten wäre fast auch hineingefahren –, haben wir uns gefragt, ob das alles mit rechten Dingen zugeht. Und dann fängt Herr Olander, als er aus dem Koma erwacht, auch noch an, von seiner Tochter zu erzählen und von einer Frau, die das Kind entführt haben soll.«
»Und Sie hatten keine Ahnung, daß er damit Andrea Pero meinte?«
»Nein. Obwohl diese Frau schon länger im Visier der Polizei stand. Sie wissen ja, daß sie gewissermaßen im Versicherungsgeschäft tätig war. Auf seiten der Versicherten. Spielte die Zeugin. Auch bei Autounfällen, um nachher zu beeiden, daß etwas so und so vonstatten gegangen war. Diese Pero hatte ein Gesicht wie von Raffael. Man hat ihr gerne alles geglaubt. Daß sie es aber war, von der Olander sprach, kam uns trotzdem nicht in den Sinn. Ein Name ist nie gefallen.«
»Könnte es sein, daß Frau Pero wirklich am Unfallort war?«
»Wie will man das ausschließen? Wie gesagt, es war ihr Job, als Zeugin aufzutreten. Die Frage ist, was sie in dieser Geschichte hätte bezeugen sollen. Jedenfalls ist von unserer Seite nichts gefunden worden, was auf einen absichtlich herbeigeführten Zusammenstoß hinweist. Es war ein Unfall. Und die Ermordung des anderen Fahrers, To Albizzi, hat damit nichts zu tun. Ein Beziehungsdrama, nichts weiter.«
»Ein Beziehungsdrama in Anwesenheit Herrn Olanders«, ergänzte Lukastik.
»Ja, das gefiel mir auch nicht. Aber ich konnte Olander nichts nachweisen. Da geht es mir wie Ihnen. Diesem Mann ist nicht leicht beizukommen, obwohl er mir gar nicht so clever erscheint.«
»Seine Cleverneß«, meinte Lukastik, »ergibt sich daraus, daß er nicht bei Sinnen ist.«
»Vielleicht.«
»Was ist eigentlich von der Familie zu halten, aus der Andrea Pero kommt?« wollte Lukastik wissen. »Könnten diese Leute mit ihrem Tod etwas zu tun haben?«
»Glaube ich nicht«, meinte Longhi. »Das sind Kleinkriminelle. Was nicht
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