Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz
während man selbst… Ja, was ist eigentlich umgekehrt von denen zu halten, die nicht einmal die eigene Wohnung aufräumen können? Sind das noch Menschen? Wo ist die Grenze zu ziehen? Wann wird es soweit sein, daß Haushaltskräfte beginnen, die Kinder ihrer Dienstgeber auszutragen? Damit man sich die blöde Schwangerschaft und diesen Scheißschmerz erspart.
Irgend etwas war im Gange. Schon seit einiger Zeit. Der Teufel schien Großes vorzuhaben.
Richard Lukastik jedoch dachte an etwas anderes. Und zwar daran, daß ihm diese Putzfrau schon einmal über den Weg gelaufen war. Ja, sie gehörte wohl zu jenen, die im Hotel Mariaschwarz die Zimmer richteten, Bettdecken in Ordnung brachten, lüfteten, staubsaugten und aus den Badezimmern alle möglichen Körperhaare und Flecken entfernten. Die Späne gehobelter Körper. Und somit eine reinliche Basis für neuerliche Verschmutzungen schufen.
Es kam Lukastik vor, als hätte er diese Frau auch im Hotel Hiltroff gesehen. Aus der Ferne bloß, wie sie rasch vorbeigeschwebt war. Freilich hatte er sie auch da nur vage wahrgenommen und nicht im Bewußtsein ihrer ganzen Erscheinung. Quasi immer nur den Umstand wasserstoffgebleichter Haare registrierend. Möglicherweise aber waren es drei verschiedene, bei ungenauer Betrachtung leicht zu vertauschende Frauen…
Doch sein Instinkt sagte Lukastik, daß es sich um ein und dieselbe Person handelte. Was ja auch gar nicht als Wunder angesehen werden mußte, eine solche Vielputzerei an einem relativ kleinen Ort.
Aber da war noch etwas. Noch eine Ähnlichkeit, die Lukastik jedoch nicht benennen konnte. Trotz schärfstem Nachdenken nicht.
Das Geräusch des Staubsaugers erstarb. Die Frau kam aber nicht aus dem Raum. Lukastik verwarf den Gedanken, daß sie irgendeine Rolle spielte. Er durfte sich nicht verrennen. Da hatte Longhi schon ein bißchen recht. Auch wenn es sich der Mailänder gar zu einfach machte. Weiche Eier verzehren und ansonsten tatenlos bleiben.
13
Während für den Chefermittler Lukastik und einige andere Leute erwiesen war, daß es sich bei dem im Mariensee entdeckten Skelett um die sterblichen Überreste der vor drei Jahren zwanzigjährig verstorbenen Mailänderin Andrea Pero handelte, war diese Erkenntnis der Presse und den Medien noch unbekannt. So wenig wie all die Umstände und Hinweise, welche direkt auf den Wahl-Hiltroffer Vinzent Olander hinführten. Selbiger saß unbehelligt und unbemerkt wie eh und je in seinem Stammlokal und vollführte seine alkoholische Pflicht, seine vier spirituösen Bogenachter.
Die Presse aber war auf die Idee gekommen, das tote Mädchen und jenes Ungeheuer namens Viktoria in einen Zusammenhang zu stellen, also allen Ernstes den Verdacht auszusprechen, die junge Frau sei beim Baden von dem Tier erfaßt und in den Abgrund gezogen worden. Nicht aber, um dort gefressen zu werden. Das nicht, denn sonst hätte man ja wohl kaum ein derart unversehrtes, anatomisch in bemerkenswerter Ordnung befindliches Gerippe geborgen. Gut möglich, daß dieses Tier ein Pflanzenfresser war, aber eben einer, der es nicht mochte, wenn jemand durch seinen See schwamm. Über die Person der Toten wurde weniger spekuliert, man nannte sie die »Frau aus dem Mariensee« und vermutete eine italienische Rucksacktouristin, die am See wild kampiert hatte. Die Möglichkeit eines klassischen, aber eben auch simplen Verbrechens wurde verworfen. Es wäre einfach zu schade gewesen, das »Ungeheuer vom Mariensee« so sang- und klanglos wieder abtauchen zu lassen.
Lukastik schüttelte amüsiert den Kopf, als er einen dieser Berichte las. Er saß soeben auf dem Beifahrersitz und ließ sich hinüber zum POW! bringen. Es war deutlich kalt geworden. Der Nebel umhüllte unbarmherzig ein jedes Ding, in ein jedes Ding eindringend, mit kleinen Rüsseln das Blut der Dinge aussaugend. Das war kein Nebel, der böse war im Sinne eines mystischen Fluchs, der über die Menschen kam, aber er war eine Plage. Wie Heuschrecken eine Plage sind. Und die betroffenen Menschen sich nicht ganz zu Unrecht die Frage stellen: Wieso gibt es Heuschrecken?
Kurz nach sechs betrat Lukastik das zur Hälfte gefüllte Lokal. An Olanders Tisch saß Marlies Herstal. Es schien aber weniger so zu sein – und Lukastik begriff das jetzt –, daß die beiden ein Liebespaar bildeten, viel eher ein Trinkerpaar. Oder anders gesagt, ihre gegenseitige Zuneigung erschöpfte sich im geselligen, ja inniglich geselligen Zechen.
Erschöpfte sich? War das eine passende
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